Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1285
Aufteilung des jeweiligen Einigungsbereichs nach den allgemeinen Grundsätzen. Wurde nach den vorstehenden Grundsätzen ein Einigungsbereich i.S.d. § 1 Abs. 3a Satz 5 ermittelt, stellt sich die Frage, welcher Wert im Einigungsbereich als Verrechnungspreis für das Transferpaket anzusetzen ist. In den VWG 1983 wurde dazu ausgeführt, dass eine schematische Orientierung des Verrechnungspreises an der Ober- oder Untergrenze des jeweiligen Einigungsbereichs ohne wirtschaftlich beachtliche Gründe nicht statthaft sei, weil ein ordentlicher Geschäftsleiter "im Interesse seines Unternehmens auf eine ausgewogene Preisgestaltung bedacht" wäre. Mit dem UntStRefG 2008 wurde in § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 1 a.F. bestimmt, dass der Wert im Einigungsbereich anzusetzen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, wobei auf den Mittelwert abzustellen war, sofern kein anderer Wert glaubhaft gemacht wurde (§ 1 Abs. 3 Satz 7 a.F.). Diese Regelung gilt in ähnlicher Weise heute noch. Denn auch in § 1 Abs. 3a Satz 6 n.F. ist der Mittelwert maßgebend, sofern der Steuerpflichtige nicht glaubhaft macht, dass ein anderer Wert innerhalb des Einigungsbereichs treffender ist. Für eine Glaubhaftmachung muss der Steuerpflichtige Gründe vortragen, die einen bestimmten Wert im Einigungsbereich wahrscheinlicher erscheinen lassen als einen anderen Wert. Wie dies genau geschehen soll, ist unklar; dies insbesondere deswegen, weil letztlich jeder Wert innerhalb des Einigungsbereichs einem Fremdvergleich standhält. Nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung hat das bestehende gesellschaftsrechtliche Verhältnis bei der Bestimmung dieses Werts unberücksichtigt zu bleiben. Dagegen seien alle Umstände des Einzelfalls, z.B. die jeweiligen Marktpositionen, das betriebliche Eigeninteresse des übertragenden Unternehmens, das Angewiesensein des übernehmenden Unternehmens auf die Wirtschaftsgüter und Vorteile, die Kapitalausstattung und Ertragslage der beteiligten Unternehmen, die Entstehung von Synergieeffekten, die jeweiligen Standortvorteile sowie die Höhe der ersparten Anlaufkosten des übernehmenden Unternehmens und die Handlungsalternativen der beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen.
Rz. 1286
Wahrscheinlichkeitsmaßstab für hypothetischen Fremdvergleich unbrauchbar. Gegen die vom Gesetzgeber aufgestellten Regeln zur Bestimmung des maßgeblichen Werts im Einigungsbereich bestehen erhebliche Bedenken. Diese richteten sich hinsichtlich der bisherigen Rechtslage in § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 1 a.F. zunächst dagegen, dass auf den Wert abgestellt werden soll, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Denn bei dem Begriff der Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen statistischen Begriff, der die beobachtbare Häufigkeit einer Ausprägung bei im Prinzip beliebig oft wiederholbaren Vorgängen wiedergibt. Ein solches Konzept musste im Rahmen des hier in Rede stehenden hypothetischen Fremdvergleichs naturgemäß scheitern, weil Ausprägungen gerade nicht beobachtbar sind, sondern allenfalls erdacht werden können. Folgerichtig wurde die Regelung mit dem AbzStEntModG im Jahr 2021 gestrichen; im Ergebnis sollte man sich darauf besinnen, dass innerhalb eines Einigungsbereichs jeder Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, da jeder dieser Werte auch zwischen fremden Dritten vereinbart werden könnte. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass der Steuerpflichtige im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs nach der höchstrichterlichen Rspr. den günstigsten Wert im Einigungsbereich ansetzen kann. Der BFH hat also seine Überlegungen zur Auswahl eines Werts bei einer durch tatsächlichen Fremdvergleich ermittelten Bandbreite auf den durch hypothetischen Fremdvergleich ermittelten Einigungsbereich übertragen.
Rz. 1287
Maßgeblichkeit des Mittelwerts widerspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz. Kritisch zu sehen ist zudem, dass nach § 1 Abs. 3a Satz 6 der Mittelwert maßgeblich sein soll, wenn vom Steuerpflichtigen kein anderer Wert im Einigungsbereich glaubhaft gemacht wird. Abgesehen davon, dass ein genereller Ansatz des Mittelwerts der vorstehenden höchstrichterlichen Rspr. widerspricht, kann ein Abstellen auf den Mittelwert auch nicht aus dem Fremdvergleichsgrundsatz abgeleitet werden. Vielmehr stellt Frotscher klar: "Kein Geschäftsleiter würde die Hälfte des von ihm und seinem Unternehmen in Zukunft zu erarbeitenden Profitpotentials abgeben." Selbst (ehemalige) Vertreter der Finanzverwaltung erachten eine generelle Bezugnahme auf den Mittelwert als nicht sachgerecht. Es kann nämlich nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass zwischen fremden Dritten eine hälftige Teilung üblich ist. Vielmehr kann es im Einzelfall durchaus sachgerecht sein, eine andere Aufteilung vorzunehmen. Dies machen auch die OECD-Leitlinien deutlich, die neben dem Mittelwert auch andere statistische Instrument...