Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 35
Durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.9.1993 ist die Regelung des Zusammentreffens von Verlustrücktrag und Ausschüttungen mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1994 geändert worden. § 8 Abs. 5 und § 33 Abs. 3 wurden ersatzlos aufgehoben, dafür wurde in § 10d EStG das Wahlrecht eingeführt, ob und in welcher Höhe ein Verlustrücktrag eintreten soll. Dabei ist nach § 10d Abs. 1 EStG der Verlustrücktrag in voller Höhe auf den zweiten, dem Verlustentstehungsjahr vorhergehenden Zeitraum, sowie danach auf den unmittelbar dem Verlustentstehungszeitraum vorhergehenden Veranlagungszeitraum die Regel. In dieser Form wird der Verlustrücktrag von Amts wegen durchgeführt, wenn der Steuerpflichtige keinen anderslautenden Antrag stellt (zu den Gründen für diese Gesetzesänderung sowie zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. Rz. 23).
Rz. 35a
Nach der Neuregelung wird der Verlustrücktrag bei einem Zusammentreffen mit einer Ausschüttung ebenso behandelt wie ein Verlustrücktrag ohne Ausschüttung. Das bedeutet, daß alle Folgerungen aus dem Verlustrücktrag und zusätzlich alle Folgen aus der Ausschüttung zu ziehen sind, ohne daß Sonderregelungen eingreifen. Von Gesetzes wegen ist die Höhe des Verlustrücktrages nicht durch die Ausschüttung begrenzt; im Rahmen des § 10d EStG kann der volle Betrag zurückgetragen werden, der auch ohne Ausschüttung hätte zurückgetragen werden können. Außerdem tritt keine Festschreibung der Ausschüttungsreihenfolge entsprechend dem aufgehobenen § 33 Abs. 3 mehr ein; es bleibt auch insoweit bei den allgemeinen Regeln des § 28 Abs. 4, 5.
Rz. 35b
Die Neuregelung bedeutet, daß der Verlustrücktrag wegen des Zusammentreffens mit einer Ausschüttung ins Leere gehen kann, wenn nämlich durch den Verlustrücktrag belastetes Eigenkapital beseitigt wird, das zur Finanzierung der Ausschüttung benötigt wurde; dann erfolgt eine Körperschaftsteuererhöhung, die die Körperschaftsteuerminderung aus dem Verlustrücktrag kompensiert. Im Ergebnis ist der Verlust verbraucht, ohne daß eine Körperschaftsteuerminderung eingetreten ist.
Im Wirtschaftsjahr 01 wird ein Gewinn von 550.000 DM (Einkommen: 1.000.000 DM) erzielt. Dieser Gewinn wird im Wirtschaftsjahr 02 durch Gewinnverwendungsbeschluß im höchstmöglichen Umfang ausgeschüttet (700.000 DM). Das Wirtschaftsjahr 02 endet mit einem Verlust in Höhe von 1.500.000 DM, der in Höhe des Einkommens 01 auf dieses Wirtschaftsjahr zurückgetragen wird. Im verwendbaren Eigenkapital sind zum Beginn des Wirtschaftsjahres 01 keine Bestände enthalten. Nicht abziehbare Ausgaben wie Vermögensteuer werden aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt.
Gliederungsrechnung vor Verlustrücktrag
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EK 45 |
EK 02 |
Anfangsbestand |
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0 |
0 |
Einkommen 01: |
1.000.000 |
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KSt |
450.000 |
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Zugang EK 45 |
550.000 |
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550.000 |
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Bestand Schluß Wirtschaftsjahr 01 |
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550.000 |
0 |
Gewinnausschüttung |
700.000 |
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Bestand EK 45 |
550.000 |
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— 550.000 |
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KSt-Minderung |
150.000 |
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Bestand nach Gewinnausschüttung |
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0 |
0 |
Körperschaftsteuerbelastung: |
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Tarifbelastung |
450.000 |
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KSt-Minderung |
— 150.000 |
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KSt |
300.000 |
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Gliederungsrechnung nach Verlustrücktrag
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EK 45 |
EK 02 |
Anfangsbestand |
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0 |
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0 |
Einkommen 01: |
1.000.000 |
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Verlustrücktrag |
— 1.000.000 |
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1.000.000 |
KSt-Erstattungsanspruch |
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— |
450.000 |
Bestand Schluß Wirtschaftsjahr 01 |
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0 |
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550.000 |
Gewinnausschüttung |
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— |
700.000 |
KSt-Erhöhung 30/70 |
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— |
300.000 |
Verlust 02 |
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— |
1.500.000 |
KSt-Erstattung 01 |
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450.000 |
Bestand Schluß Wirtschaftsjahr 02 |
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0 |
— |
1.500.000 |
Körperschaftsteuerbelastung: |
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Körperschaftsteuererhöhung: |
300.000 |
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Die Körperschaftsteuerbelastung unter Berücksichtigung des Verlustrücktrages ist die gleiche wie ohne Verlustrücktrag (Fall a). Im Fall b) ist jedoch der Verlust in Höhe von 1.000.000 DM verbraucht, hat also im Ergebnis zu keiner steuerlichen Entlastung geführt.
Bei der Ausübung des Wahlrechts für den Verlustrücktrag muß der Steuerpflichtige daher prüfen, ob und in welcher Höhe er von dem Verlustrücktrag Gebrauch machen kann, ohne daß die Änderung der Ausschüttungsfinanzie
rung zu negativen Konsequenzen führt. Er sollte von dem Wahlrecht nur insoweit Gebrauch machen, als dadurch die Körperschaftsteuerbelastung optimiert wird. Zu diesem Zweck kann das Wahlrecht auch zu "Zwischenwerten" ausgeübt werden, d. h. der Steuerpflichtige kann nicht nur wählen, ob Verlustrücktrag eintreten soll oder nicht, sondern innerhalb der von § 10d EStG gesetzten Grenzen kann er auch wählen, in welcher Höhe und auf welchen der beiden Rücktragszeiträume der Verlustrücktrag erfolgen soll.
Rz. 35c
Handelt es sich um den zweijährigen Verlustrücktrag, sind die Auswirkungen des Zusammentreffens von Verlustrücktrag und Ausschüttung für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu berechnen. Die von der Verwaltung zugelassene zusammengefaßte Berechnung (vgl. Rz. 32) war eine Billigkeitsregelung, um die negativen Auswirkungen der bis Vz 1993 geltenden Regelungen der § 8 Abs. 5 und § 33 Abs. 3 zu mildern. Nach der Neuregelung ab V...