Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 55
Die steuerlichen Auswirkungen bei den Anteilsinhabern, die die Anteile an der liquidierten Kapitalgesellschaft im Privatvermögen gehalten haben, sind abhängig davon, ob eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG vorlag.
Nach § 17 EStG ist der Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung auch dann steuerpflichtig, wenn die Anteile im Privatvermögen gehalten werden; entsprechend kann ein Verlust aus der Veräußerung im Wege des Verlustausgleichs steuerlich nutzbar gemacht werden. Nach § 17 Abs. 4 EStG gilt Entsprechendes im Fall der Liquidation und der Kapitalherabsetzung. Es tritt aber die Besonderheit ein, dass bei der Errechnung von Gewinn oder Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG die Zuflüsse, die unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG fallen, nicht berücksichtigt werden.
Die Besteuerung bei dem Anteilsinhaber im Fall der Liquidation erfolgt also in zwei Stufen:
- Soweit es sich um Gewinnanteile handelt, erfolgt die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG; damit sind alle Auskehrungen aus dem belasteten EK und dem EK 01—03 erfasst und damit aus der Besteuerung nach § 17 Abs. 4 EStG herausgenommen.
- Soweit es sich um die Rückzahlung von Kapital handelt, greift § 17 Abs. 4 EStG ein. In die Besteuerung nach § 17 Abs. 4 EStG werden damit die Rückzahlung des Nennkapitals (soweit es nicht zum verwendbaren Eigenkapital gehört, vgl. Rz. 31, 35) und Auskehrungen aus dem EK 04 einbezogen.
Diese Regelung hat zur Folge, dass bei einer Liquidation i. d. R. kein Gewinn nach § 17 EStG entsteht. Hat der Anteilsinhaber seine Anteile bei der Gründung oder durch eine Kapitalerhöhung der Gesellschaft erworben, bestehen seine Anschaffungskosten aus dem Nennkapital zuzüglich etwaiger Aufgelder (EK 04); bei der Liquidation gleichen sich die Rückzahlung des Kapitals einschließlich des EK 04 und die Anschaffungskosten wertmäßig aus, sodass weder ein Gewinn noch ein Verlust entsteht. Ein Verlust aus § 17 Abs. 4 EStG kann entstehen, wenn Nennkapital oder EK 04 verloren gegangen ist.
Hat der Anteilsinhaber seine Anteile von einem früheren Gesellschafter erworben, können seine Anschaffungskosten höher sein als die auf ihn entfallende Kapitalrückzahlung; insoweit tritt ein Verlust nach § 17 Abs. 4 EStG ein.
Soweit nach diesen Ausführungen ein Verlust aus § 17 Abs. 4 EStG eintritt, wird die "Verlagerung" der Einkünfte von § 17 EStG auf § 20 EStG in gewissem Umfang rückgängig gemacht; die Einkünfte aus § 20 EStG werden durch den Verlust aus § 17 ausgeglichen, die anrechenbare Körperschaftsteuer wird insoweit erstattet. Benachteiligt bei dieser Regelung sind diejenigen Steuerpflichtigen, bei denen ein Verlust aus § 17 EStG nicht nutzbar gemacht werden kann, also beschränkt Steuerpflichtige und nicht wesentlich Beteiligte; diese Personen müssen die Einkünfte aus § 20 EStG in vollem Umfang versteuern, obwohl sie einen Verlust in der Vermögenssphäre erlitten haben.
Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, tritt dasselbe Ergebnis wie bei Anwendung des § 17 EStG ein, da auch dann ein Verlust in der Vermögenssphäre (Rückzahlung aus Nennkapital und EK 04 ist geringer als Buchwert) steuerlich nutzbar gemacht werden kann.
Beispiel 1 (Rz. 53)
Einkünfte aus § 17 EStG |
|
Rückzahlung Stammkapital |
50.000 |
|
50.000 |
Anschaffungskosten |
./. 50.000 |
|
- |
Einkünfte aus § 17 EStG |
0 |
|
0 |
Aus dem Beispiel 2 ergibt sich die Benachteiligung derjenigen Steuerpflichtigen, bei denen § 17 nicht anwendbar ist bzw. die die Anteile nicht im Betriebsvermögen halten. Der Verlust aus der Nichtrückzahlung des Nennkapitals kann hier steuerlich nicht nutzbar gemacht werden.
Rz. 56
Die gleichen Grundsätze wie bei Anwendung des § 17 EStG müssen m. E. gelten, wenn es sich bei den Anteilen um steuerverhaftete, einbringungsgeborene (spaltungsgeborene, verschmelzungsgeborene) Anteile nach § 21 UmwStG handelt. Bei diesen steuerverhafteten Anteilen tritt eine Versteuerung der stillen Reserven ein, wenn die Kapitalgesellschaft aufgelöst und abgewickelt wird, soweit die Zahlungen an den Anteilseigner nicht als Gewinnanteil gelten.
Aus der Regelung, dass die Besteuerung nach § 21 UmwStG nach den Grundsätzen des § 16 EStG erfolgt, und der Bestimmung in § 21 Abs. 2 Nr. 4 UmwStG, dass dies dann nicht gilt, wenn die Zahlung als "Gewinnanteil" einzustufen ist, ist geschlossen worden, dass Auskehrungen auf einbringungsgeboren...