Prof. Dr. Gerrit Frotscher
4.1 Übersicht
Rz. 47
Abs. 3 und 4 enthalten Regelungen für die Bilanzierung der übernehmenden Körperschaft, aus denen sich die Behandlung des im Zuge der Verschmelzung übergegangenen Vermögens ergibt. Dabei werden die Konsequenzen aus der Wertverknüpfung gezogen. Das Prinzip der Wertverknüpfung besagt nur, mit welchem Wert die übernommenen Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der steuerlichen Übertragung in die Buchführung der übernehmenden Körperschaft einzustellen sind; es besagt aber nichts über die weitere steuerbilanzielle Behandlung. Diese Regelungen sind in Abs. 3, 4 enthalten. Für Einzelfragen wird dabei auf § 4 Abs. 2, 3 verwiesen.
Die übernehmende Körperschaft darf die übernommenen Wirtschaftsgüter nicht nach den bei ihr vorliegenden Verhältnissen bilanzieren, sondern ist an die Übertragungswerte der übertragenden Körperschaft gebunden. Hinsichtlich der Übertragungswerte tritt sie also in die Stellung der übertragenden Körperschaft ein. Dann ist es nur konsequent, wenn die übernehmende Körperschaft auch hinsichtlich aller anderen bilanziellen Regelungen in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft einrückt. Neben diesen Regelungen enthalten die Abs. 3 und 4 weitere Bestimmungen, die durch den Übergang der Wirtschaftsgüter von der übertragenden auf die übernehmende Körperschaft notwendig werden, z. B. zur Anschaffung von Anteilen zwischen Übertragungsstichtag und Eintragung in das Handelsregister durch Verweisung auf § 5 (vgl. Rz. 84) oder zu Übernahmefolgegewinnen (vgl. Rz. 86).
Rz. 48
Abs. 3, 4 regeln eine Art „steuerliche Gesamtrechtsnachfolge”. Seit der Gesetzesänderung v. 22.12.1999 handelt es sich bei Abs. 3 S. 1 um eine umfassende Generalklausel, die durch Beispiele konkretisiert wird. Es erfolgt also ein umfassender Eintritt in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft. Dadurch wird die vor der Gesetzesänderung geltende punktuelle Aufzählung, und damit das gegenständlich nur beschränkte Einrücken in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft zu Gunsten einer umfassenden steuerlichen Gesamtrechtsnachfolge aufgegeben. Die einzelnen in der Vorschrift ausdrücklich angesprochenen Fallgruppen haben damit nur die Funktion von Regelbeispielen.
Zu beachten ist aber, dass diese Verknüpfung der Stellung der übernehmenden Körperschaft mit der der übertragenden Körperschaft es hinsichtlich des übernommenen Vermögens ausschließt, die Übernahme der Wirtschaftsgüter im Zuge der Verschmelzung als Anschaffung aufzufassen. Es handelt sich um einen Vermögensübergang eigener Art. Steuerliche Regeln, die einen Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang voraussetzen, sind also nicht anwendbar. Das bedeutet, dass bei Verschmelzung mangels Anschaffung bzw. Herstellung die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden kann, es kann nicht erstmals eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet werden, und es entsteht kein Anspruch auf Investitionszulage.
4.2 Fortführung der Bewertung
Rz. 49
Nach § 12 Abs. 3 S. 1 tritt die übernehmende Körperschaft hinsichtlich der Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Sie hat nach Abs. 3 S. 1 die Wertansätze der übertragenden Körperschaft zu übernehmen und sie ebenso fortzuentwickeln, wie es die übertragende Körperschaft hätte tun müssen. Das ist die Folge daraus, dass die Übernahme der Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Körperschaft nicht als Anschaffung im steuerlichen Sinne angesehen wird, da sonst die Bewertung nach dem Anschaffungskostenprinzip zu erfolgen hätte.
Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die übernehmende Körperschaft hinsichtlich der übernommenen Wirtschaftsgüter an die Bewertungsprinzipien der übertragenden Körperschaft gebunden ist und hiervon nicht willkürlich abweichen kann. Haben übertragende und übernehmende Körperschaft vor der Verschmelzung unterschiedliche Bewertungsgrundsätze angewandt, kann die übernehmende Körperschaft nach der Vermögensübernahme die Bewertungsprinzipien hinsichtlich des übernommenen Vermögens an die eigenen Bewertungsprinzipien angleichen. Eine Angleichung an die bei der übernehmenden Körperschaft vor der Verschmelzung angewandten Bewertungsprinzipien ist nicht willkürlich und verletzt daher nicht den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit.
Rz. 50
Im Einzelnen bedeutet dies:
- Wertansätze: Die übernehmende Körperschaft muss die Wertansätze in der Übertragungsbilanz der übertragenden Körperschaft übernehmen. Sie ist an die Bewertungsmethoden der übertragenden Körperschaft gebunden.
- Absetzungen für Abnutzung: Die übernehmende Körperschaft hat die AfA der übertragenden Körperschaft fortzuführen. Das gilt für die Bemessungsgrundlage (Anschaffungs- und Herstellungskosten), für den AfA-Satz und die Bemessung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Auf Grund des Prinzips der Bewertungsstetigkeit und der Planmäßigkeit der Abschreibungen muss daher der Abschreibungsplan der übertragenden Körperschaft fortgeführt werden. Abweichungen hiervon...