Prof. Dr. Gerrit Frotscher
1 Allgemeines
1.1 Inhalt und systematische Stellung der Vorschrift
Rz. 1
§ 12 rechnet zum Dritten Teil des UmwStG (Verschmelzung, Vermögensübertragung) und regelt die Auswirkungen der Verschmelzung bzw. der Vermögensübertragung auf die übernehmende Körperschaft. Die Vorschrift korrespondiert mit § 11, der die Auswirkungen auf die übertragende Körperschaft bestimmt, und § 13, der die Besteuerung der Gesellschafter der übertragenden Körperschaft regelt. Auswirkungen auf die Besteuerung der Gesellschafter der übernehmenden Körperschaft ergeben sich nicht, so dass insoweit eine Regelung entbehrlich ist. § 12 schließt sich eng an § 4 an und besteht zu einem erheblichen Teil aus Verweisungen auf § 4.
§ 12 enthält aber nicht alle Auswirkungen der Verschmelzung auf die übernehmende Körperschaft; darüber hinaus regeln § 29 Abs. 1 KStG die Auswirkungen der Verschmelzung auf das steuerliche Einlagekonto der übernehmenden Körperschaft sowie § 40 Abs. 1, 3 KStG die Auswirkungen auf Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 KStG und Körperschaftsteuererhöhungen nach § 38 KStG.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 2
§ 12 ist durch das UmwStG 1995 in Kraft getreten (zu Einzelheiten vgl. § 1 Rz. 17). Die Vorschrift ersetzt § 15 UmwStG 1977. Weder Grundstruktur noch Regelungsgehalt wurden durch die Neuregelung wesentlich geändert. Es sind lediglich punktuelle Änderungen eingetreten; die wichtigste Änderung besteht in der Möglichkeit der Übertragung des Verlustvortrags der übertragenden Körperschaft auf die übernehmende Körperschaft.
Die Vorschrift ist erstmals anwendbar bei Verschmelzungen, wenn der dadurch bedingte Vermögensübergang auf Rechtsakten beruht, die nach dem 31.12.1994 wirksam werden. Maßgebend ist daher, ob der Verschmelzungsbeschluss vor dem genannten Datum wirksam gefasst wurde, und ob der Verschmelzungsvertrag einschließlich der notariellen Beurkundung vor diesem Datum wirksam abgeschlossen wurde. Nicht maßgebend ist das Datum der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister.
Rz. 3
Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 29.10.1997 in zwei Punkten geändert worden. Durch Streichung des bisherigen S. 4 in Abs. 2 ist die Regelung über den Beteiligungskorrekturbetrag zur Verhinderung ungerechtfertigter Steuervorteile verschärft worden (vgl. Rz. 44). In Abs. 3 S. 2 ist die Übertragung des verbleibenden Verlustvortrags von der Fortführung des Betriebs, der den Verlust erlitten hat, abhängig gemacht worden (vgl. Rz. 65). Diese Änderungen sind auf Verschmelzungen anzuwenden, deren Eintragung in das Handelsregister nach dem 5.8.1997 beantragt worden ist. Die „Anmeldung zum Handelsregister” ist identisch mit dem in § 17 Abs. 2 UmwG verwendeten Begriff für den Stichtag der Verschmelzungsbilanz. Maßgebend ist der Eingang der Anmeldung bei dem Handelsregister, und zwar sowohl bei dem Handelsregister der übernehmenden als auch bei dem der übertragenden Körperschaft. Es muss ein wirksamer Antrag auf Eintragung vorliegen, d. h., es muss zumindest die Verschmelzungsbilanz beigefügt sein; die Prüfung kann nachgeholt werden.
Darüber hinaus wurde die Vorschrift wie folgt geändert:
- Durch Gesetz v. 25.3.1998 ist § 12 Abs. 5 S. 1 an die Zulassung von Stückaktien angepasst worden. Eine sachliche Änderung ist damit nicht verbunden.
- Durch Gesetz v. 24.3.1999 wurde eine Verweisung in Abs. 3 angepasst.
- Durch Gesetz v. 22.12.1999 wurde in Abs. 2 der Satz 4 gestrichen, Abs. 3 S. 1 mit dem Eintreten in die steuerliche Rechtsstellung wurde neu gefasst. Außerdem wurden in den Abs. 3 — 5 Verweisungen angepasst. Die Neuregelungen traten ab Vz 2000 in Kraft.
- Durch Gesetz v. 23.10.2000 wurde Abs. 2 S. 3 durch einen Verweis auf § 8b Abs. 3 KStG ergänzt. Abs. 5 wurde an den Wegfall des Anrechnungsverfahrens angepasst. Die Neuregelungen galten ab dem ersten Vz, für den das Anrechnungsverfahren nicht mehr galt.
- Durch Gesetz v. 20.12.2001 wurde in Abs. 3 S. 2 und Abs. 5 S. 3 das Wort „Verlustabzug” durch den Begriff „Verlustvortrag” ersetzt.
- Durch Gesetz v. 20.12.2001 wurde Abs. 5 S. 1 neu gefasst.
2 Wertansatz in der Bilanz der übernehmenden Körperschaft (Abs. 1)
2.1 Regelfall: Wertverknüpfung
Rz. 4
Für die Verschmelzung hat die übertragende Körperschaft zwingend eine Übertragungsbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufzustellen (vgl. § 2 Rz. 8, § 11 Rz. 9). Der übernehmende Rechtsträger hat dagegen bei der Verschmelzung durch Aufnahme keine Übernahmebilanz aufzustellen. Er kann den Verschmelzungsvorgang als laufenden Geschäftsvorfall in der Buchführung erfassen, so dass die übertragenen Wirtschaftsgüter erst in der Schlussbilanz auf das Ende desjenigen Wirtschaftsjahres ausgewiesen werden, in das der Verschmelzungsvorgang fällt. Um zu den richtigen Wertansätzen bei der übernehmenden Körperschaft zu kommen, ist es jedoch zwe...