Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 401
Bei der Abgrenzung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG und Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG im Zusammenhang mit Managementbeteiligungen hat in jüngerer Zeit auch der Aspekt des wirtschaftlichen Eigentums zunehmend Bedeutung erlangt. Wirtschaftsgüter sind für steuerliche Zwecke nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Sofern eine andere Person als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, ist das Wirtschaftsgut nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO steuerlich dieser Person zuzurechnen, die sodann als wirtschaftlicher Eigentümer bezeichnet wird.
Unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO können auch Rechte, also auch Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften, Gegenstand des wirtschaftlichen Eigentums sein. Letzteres ist im Fall des Verkaufs einer Beteiligung nach der Rspr. jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Käufer des Anteils aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind. Zu den mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechten gehören insbesondere das Gewinnbezugs- und das Stimmrecht.
Bei der Prüfung der vorstehend genannten Merkmale ist zu berücksichtigen, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums stets nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen ist. Die Annahme wirtschaftlichen Eigentums kann daher auch dann gerechtfertigt sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind.
Rz. 402
Im Zusammenhang mit Managementbeteiligungen wird in jüngerer Zeit z. T. vertreten, dass die in den entsprechenden Verträgen regelmäßig vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen zulasten des Stpfl. einem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an der Beteiligung entgegenstehen. Als Folge hiervon soll eine Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG ausgeschlossen und der Ertrag aus der Beteiligung den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG zuzuordnen sein. Bei einer solchen Argumentation ist jedoch Zurückhaltung geboten. Schuldrechtliche Verfügungsbeschränkungen stehen dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach der Rspr. nicht entgegen. Denn eine schuldrechtliche Verfügungsbeschränkung hindert den Erwerber nicht, die erworbenen Gesellschaftsanteile weiterzuveräußern. Die Veräußerung ist rechtlich möglich. Der Umstand, dass die Veräußerung ggf. vertragliche Sanktionen auslöst, hat insofern keine Bedeutung. Ein anderes kann allenfalls bei dinglichen Verfügungsbeschränkungen gelten. Eine solche besteht etwa bei vinkulierten Aktien i. S. d. § 68 Abs. 2 AktG, bei denen die Wirksamkeit der Übertragung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängt. Hat die Gesellschaft in die Übertragung eingewilligt, ist die Übertragung der Aktien von Anfang an wirksam. Ohne Zustimmung ist die Übertragung zunächst schwebend unwirksam. Wird die Einwilligung endgültig verweigert, ist die Übertragung von vornherein unwirksam. Dies bedeutet aber nicht, dass an vinkulierten Aktien i. S. d. § 68 Abs. 2 AktG kein wirtschaftliches Eigentum erworben werden kann. Hat der Erwerber die Aktien mit Zustimmung der Gesellschaft erworben, steht der Erwerb nicht mehr unter der Wirkung einer Verfügungsbeschränkung und das wirtschaftliche Eigentum ist übergegangen. Zwar unterliegt die Weiterveräußerung der Aktien ebenfalls einer Verfügungsbeschränkung. Diese ändert aber nichts daran, dass der Erwerber das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat.