Bisweilen ist in Social-Media-Kanälen auch die Auffassung anzutreffen, dass durch beinahe willkürliche als Betriebsausgaben abziehbare genossenschaftliche Rückvergütungen die Umgehung einer etwaigen Dividendenbesteuerung erzielt werden kann. Die Rückvergütung i.S.d. § 22 KStG kann bei richtiger Gesetzesanwendung jedoch keinesfalls als steuerfreies aliud für eine Dividende gesehen werden, sondern greift nur ein, wenn ein tatsächlicher operativer Leistungsaustausch zum Förderungszweck zwischen Mitgliedern und Genossenschaft vorliegt.
a) Grundsätze
Einzugehen ist hier noch auf die in § 22 KStG gesetzlich verankerte und in R 22 KStR 2022 in 13 Absätzen behandelte Besonderheit der Rückvergütungen von Genossenschaften an ihre Mitglieder, welche insoweit zum Betriebsausgabenabzug zugelassen werden, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sind. Der Gesetzgeber will dabei der Eigenart von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften i.S.d. § 1 GenG Rechnung tragen, indem derartige Rückvergütungen bei Genossenschaften als betriebsbedingt gesehen werden, weil es sich um eine Rückgewähr des zunächst zu hoch kalkulierten Kaufpreises handelt, so auch Lohmar in Lademann, KStG, § 22 Rz. 8. § 22 KStG gilt (nur) für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften von der Eintragung bis zur Löschung im Genossenschaftsregister KStR 22 Abs. 1 KStR 2022
Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften sind Genossenschaften nicht auf die Förderung eigener Gewinne ausgerichtet und sollten folglich im Geschäft mit ihren Mitgliedern keinen (zu großen) Überschuss erzielen, da andernfalls von den Genossen zu viel verlangt bzw. ihnen zu wenig für die gelieferten Erzeugnisse bezahlt würde. Die Rückvergütung ist insoweit ein erforderliches und ertragsteuerlich anzuerkennendes technisches Korrektiv der dem Förderungszweck widersprechenden Überschüsse, vgl. Rüsch in Frotscher/Drüen, KStG, § 22 Rz. 5.
Während nach § 22 KStG abziehbare Rückvergütungen als lex specialis den vGA nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorgehen, sind im Umkehrschluss nach § 22 KStG nicht abziehbare Rückvergütungen als vGA zu behandeln (R 22 Abs. 13 KStR 2022), wobei die Finanzverwaltung sich insoweit auf ihre Grundsätze der Abziehbarkeit nach R 22 Abs. 1 bis 12 KStR 2022 beziehen will. Rückvergütungen, die nach § 22 KStG als Betriebsausgaben zu behandeln sind, werden auf Seiten der Mitglieder nicht als Anteile am Gewinn einer Genossenschaft behandelt, so dass beim Mitglied § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG keine Anwendung finden können, Micker / L’habitant in BeckOK/KStG, 14. Ed. 25.10.2022, § 22 Rz. 57.
Sofern Mitglieder ihrer Genossenschaft ausschließlich i.R.v. Arbeitsverhältnissen gegenüberstehen, liegt keine Rückvergütung vor, die unter § 22 KStG fällt, vgl. OFD Rostock v. 29.5.1997 – S 2780 A – 0/97 – St 242.
b) Abweichung des BFH v. 28.10.2015 – I R 10/13 von R 22 KStR 2022 bzgl. der Abgrenzung zu Preisnachlässen
Nach R 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 KStR 2022 gehören Preisnachlässe (Rabatte, Boni), die sowohl Mitgliedern als auch Nichtmitgliedern gewährt werden, als "reguläre abziehbare Betriebsausgaben" nicht zu den genossenschaftlichen Rückvergütungen. Der Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Preisnachlass und der genossenschaftlichen Rückvergütung besteht nach R 22 Abs. 2 Satz 3 KStR 2022 darin, dass der Preisnachlass bereits vor oder bei Abschluss des Rechtsgeschäfts vereinbart wird, während die genossenschaftliche Rückvergütung erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres beschlossen wird.
Im Urteil vom 28.10.2015 teilte der BFH die von der Verwaltung vertretene Abgrenzung zwischen Preisnachlässen und Rückvergütungen dahingehend nicht, dass der als Betriebsausgabe abziehbare Preisnachlass bereits vor bzw. mit Abschluss des Rechtsgeschäfts vereinbart ist, während die unter den Voraussetzungen des § 22 KStG wie Betriebsabgaben abziehbaren Rückvergütungen dagegen erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres beschlossen würden (BFH v. 28.10.2015 – I R 10/13, BStBl. II 2016, 298 = GmbHStB 2016, 120 [Ch. Böing]). Vielmehr hält der BFH auch nachträglich vereinbarte Preisnachlässe für möglich – also für nicht unter § 22 KStG fallende normale Preisnachlässe – und stellt sich insoweit im Urteilsfall gegen die damals gleichlautende Vorgängerregelung R 70 Abs. 2 KStR 2008. Die Abgrenzung kann im Einzelfall durchaus dahingehend Relevanz haben, dass normale Preisnachlässe nicht der Höchst-Berechnung und Begrenzung des § 22 KStG unterliegen.
c) Erwirtschaftung im Mitgliedergeschäft
Rückvergütungen müssen zuvor im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden sein, § 22 Abs. 1 Satz 1 KStG, so dass im Umkehrschluss ein von der Genossenschaft selbst erwirtschafteter Gewinn im Nebengeschäft immer nur als Dividende ausgeschüttet werden kann.
Beraterhinweis Erzielt somit eine als Vermögensvehikel gegründete (Familien-)Genossenschaft Einkünfte aus Vermietung von Grundbesitz oder Kapitalvermögen, kann bereits wesensimmanent keine steuerfreie Quasi-Ausschüttung dieser Gewinne in Gestalt der Rückvergütung vorgenommen werden. Der Gestaltungsmissbrauch des § 22 KStG für den dividenden- bzw. abgeltungssteuerfreien Vermögenstransfer von Genossenschaft an Mitglieder sch...