Die ertragsteuerliche Rspr. zeigt, dass sie nicht unumstößlich am Nennwert bei der Bewertung von Genossenschaftsanteilen festhalten will, zusätzlich behält sich der Gesetzgeber offen, dass ertragsteuerliche Wertgewinne von Genossenschaftsanteilen zu versteuern sind, und zwar nicht nur bei Verkauf, sondern auch bei veräußerungsgleichen Vorgängen i.S.d. § 17 EStG.
Es wäre daher konsequent, zumindest bei zeitnah zum (erbschaft-/schenkungsteuerlichen) Bewertungsstichtag liegenden Verkäufen von Genossenschaftsanteilen, die als Vermögensvehikel dienen, diese auch der Erbschaft-/Schenkungsteuer zugrunde zu legen, wie bei nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG für nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften eine Wertableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, priorisiert wird. Nach R B 199.5 Nr. 1 und 2 ErbStR 2019 können Erkenntnisse über eine offensichtlich unzutreffende Wertermittlung (hier durch Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens) auch hergeleitet werden durch zeitnahe (bis zu einem Jahr) Verkäufe, wenn diese nach dem Bewertungsstichtag liegen und solche, die mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag zurückliegen sowie bei Erbauseinandersetzungen, bei denen die Verteilung der Erbmasse Rückschlüsse auf den gemeinen Wert zulässt. Der BFH hat in seinem Urteil (BFH, Urt. v. 16.5.2013 – II R 41/11, BFH/NV, 1223) sogar einen tatsächlichen Verkaufspreis, welcher mehr als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag lag, der Anteilsbewertung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG zugrunde gelegt und in seinem Urteil (BFH, Urt. v. 22.6.2010 – II R 40/08, BStBl. II, 843) darüber hinaus einen nach der Schenkung liegenden Verkaufspreis.
Bei der Bewertung von Grundvermögen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann ein (ausschließlich niedrigerer von der Regelbewertung abweichender!) gemeiner Wert eines Grundstücks gem. R B 198 Abs. 4 ErbStR 2019 auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommenen Verkaufspreis ohne Wertkorrekturen als Grundbesitzwert festgestellt werden, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür ggü. den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind; somit können auch Verkäufe außerhalb dieses Zeitraums herangezogen werden (s. dazu umfassend Kowanda, ErbStB 2018, 85 und ErbStB 2018, 116).
Beraterhinweis Es ist daher in Erwägung zu ziehen, dass bei tatsächlich als Vermögensvehikel gedachten Genossenschaften auch etwaige Verkaufspreise anstelle des niedrigen Nennwerts treten können, wenngleich dies nur begründet erscheint, wenn tatsächlich bedeutsame Anteile mit regelmäßig 50-100 %-Beteiligungsquote veräußert werden. Nur dies erscheint wirtschaftlich sinnvoll, da sich bei derartigen Genossenschaften kaum mehrere Familien die Anteile untereinander ohne vermögensrechtliche Durchgriffsrechte teilen wollen. Andererseits könnte es für operativ tätige Betriebsunternehmen mit hohem Verwaltungsvermögen auch eine Gestaltungsmöglichkeit sein, die Nennwertbesteuerung auszunutzen.