OFD Frankfurt, Verfügung v. 11.2.2003, S 2300 A - 21 - St II 22
Durch das Steueränderungsgesetz 2001 wurde § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG neu gefasst und um den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4c EStG ergänzt. Hiernach werden ab dem 1.1.2001 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die der Steuerpflichtige als Vergütung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bezieht, in den Kreis der inländischen Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht aufgenommen.
Die Tätigkeit dieser Personen besteht vornehmlich in der Erteilung von Weisungen und in der Entgegennahme von Berichten, so dass insoweit keine räumliche Verbundenheit zu dem Ort der Geschäftsleitung gegeben sein muss. Gerade im Zeitalter elektronischer Medien können die Geschäfte mittels Telefon, Fax oder Internet von jedem Ort der Welt aus getätigt werden.
Ziel der Neuregelung ist es, das nationale Besteuerungsrecht sowohl von der zufälligen oder willkürlichen Verlagerung des tatsächlichen Tätigkeitsorts, als auch von der Dauer des vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland unabhängig zu machen und für das Besteuerungsrecht, das der Bundesrepublik Deutschland nach mehreren Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) zugewiesen ist, eine Rechtsgrundlage zu schaffen.
Nach der bisherigen Rechtslage unterfielen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F. -jetzt Nr. 4a). Da die Ausübung der Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland begrifflich die physische Anwesenheit im Inland erfordert und der Verwertungsbegriff nach der Rechtsprechung eng auszulegen ist, konnte die inländische Besteuerung durch entsprechende Gestaltungen vermieden werden.
Während das Einkommensteuergesetz die Voraussetzungen für einen inländischen Steueranspruch normiert, regeln die DBA die Verteilung der durch die nationalen Steuergesetze begründeten Steueransprüche auf die beteiligten Staaten. Die DBA gehen den innerstaatlichen Steuergesetzen vor (§ 2 AO).
Vergütungen für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied gehören abkommensrechtlich zu den Einkünften aus unselbstständiger Arbeit, deren Zuteilung in dem Arbeitnehmerartikel des jeweiligen DBA geregelt ist.
Überwiegend sind die Arbeitnehmerartikel der DBA dem Artikel 15 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) nachgebildet. Art. 15 Abs. 1 OECD-MA sieht ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Arbeitnehmers vor, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt; in diesem Fall können die dafür bezogenen Vergütungen auch im anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) besteuert werden. Gemäß Art. 15 Abs. 2 OECD-MA bleibt es jedoch beim ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats, wenn weitere Kriterien – z.B. die 183-Tage-Regelung – erfüllt sind. Keine Zuordnungskriterien im Sinne des Artikels 15 OECD-MA sind der Verwertungstatbestand und der Aufgabenbereich des Arbeitnehmers wie z.B. Vorstand, Geschäftsführer und Prokuristen.
Dies bedeutet, dass sich in den Fällen, in denen ein dem Artikel 15 OECD-MA entsprechender Arbeitnehmerartikel anzuwenden ist, durch die neue Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 4c EStG keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Abkommensrecht ergeben.
In einigen DBA sind jedoch Sonderregelungen zu beachten.
So enthält das DBA Schweiz in Artikel 15 Abs. 4 eine vom OECD-MA abweichende Regelung, nach der für die Einkünfte eines Vorstandsmitglieds, Direktors, Geschäftsführers oder Prokuristen einer Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht dem Staat zugewiesen wird, in dem die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat.
Durch den neuen Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4c EStG wurde nun die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die Bundesrepublik Deutschland das ihr durch Artikel 15 Abs. 4 DBA Schweiz zugewiesene Besteuerungsrecht ausüben kann.
Vergleichbare Regelungen enthalten die DBA mit den Ländern Belgien, Dänemark, Japan, Türkei und Schweden, so dass sich auch in diesen Fällen die Ergänzung des § 49 Abs. 4 EStG auswirkt.
Beispiel:
G mit Wohnsitz im Königreich Belgien ist Geschäftsführer der B-GmbH, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Frankfurt am Main hat. Er erhält für seine Geschäftsführertätigkeit ein angemessenes Gehalt. G übt seine Tätigkeit regelmäßig in Belgien aus; an 30 Tagen unternimmt er eine Dienstreise nach Frankfurt am Main.
Rechtsstand bis 2001:
G unterliegt der beschränkten Einkommensteuerpflicht, soweit die Tätigkeit an 30 Tagen im Inland ausgeübt oder verwertet wird, §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (a.F.).
Rechtsstand ab 2002:
Da G in Deutschland weder Wohnsitz (§ 8 AO) noch gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, ist er nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der B-GmbH (Geschäftsleitung in Frankfurt am Main) erzielt er inländische Einkünfte i.S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 4c EStG, so dass die Vergütung in Deutsc...