FinMin Baden-Württemberg, Erlaß v. 2.3.2010, 3 - S 452.0/6
Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Die Verwertungsbefugnis kann sich aus dem Recht zur Nutzung oder aus dem Recht, das Grundstück wie ein Zwischenerwerber auf eigene Rechnung zu veräußern, ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.1990, BFH/NV 1991 S. 556, 557 sowie vom 10.3.1999, BStBl 1999 II S. 491).
In Erwerbsfällen mit dem einheitlichem Leistungsgegenstand „bebautes Grundstück” wurde bisher ein entsprechender Erwerb der Verwertungsmöglichkeit gem. § 1 Abs. 2 GrEStG durch den planmäßig eingebundenen Projektanbieter (z.B. Bauträger, Bauunternehmen) auch dann angenommen, wenn keine weiteren für die Einräumung der Verwertungsmöglichkeit sprechenden Umstände, wie z.B. das Vorliegen eines Benennungsrechts, erkennbar waren. Dieser grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung lag die Überlegung zugrunde, dass der Projektanbieter über die Vermittlung der Kaufinteressenten an den Eigentümer der unbebauten Grundstücke die Möglichkeit erhält, eigene Verträge zur Erstellung der Gebäude abzuschließen, wodurch er sich den Wert der Grundstücke in der Weise zunutze macht, dass er zwar in der Regel an der Vermittlung der unbebauten Grundstücke allein keinen Gewinn erwirtschaftet, gleichwohl aber durch den Abschluss der weiteren Verträge über die Bebauung dieser Grundstücke seine eigenen wirtschaftlichen Interessen wahrnimmt und verwirklicht.
An dieser Rechtsauffassung kann nach Ergehen des BFH-Urteils vom 29.7.2009, II R 2/08 (BFH/NV 2009 S. 1833) nicht mehr festgehalten werden.
Nach Auffassung des BFH verlangen beide Möglichkeiten der Verwertung im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG – im Unterschied zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG – eine Beteiligung an der Substanz des Grundstücks. Aus der bloßen Möglichkeit zur Verfolgung eines eigenen wirtschaftlichen Interesses von der Art, den Grundstückskäufer zum Abschluss weiterer Verträge zu bestimmen, lässt sich danach noch keine solche Substanzbeteiligung am Grundstück herleiten (vgl. Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl. 2005, § 1 RdNr. 254). Auch etwaige vom Projektanbieter erzielten Werkvergütungen können nicht als eine solche Teilhabe an der Grundstückssubstanz gewertet werden. Außerdem lassen sich die Grundsätze zum einheitlichen Erwerbsgegenstand nicht auf § 1 Abs. 2 GrEStG übertragen. Die vom Grundstückseigentümer gegenüber einem Projektanbieter verschaffte Option, das Grundstück mit dem noch zu erstellenden Gebäude als einheitlichen Erwerbsgegenstand anzubieten, erfüllt daher in der Person des Projektanbieters noch nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG.
Die für Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG notwendige Beteiligung an der Substanz oder dem Wert des Grundstücks wäre aber dann gegeben, wenn der Projektanbieter in irgendeiner Weise am Verkaufserlös des Grundstückseigentümers beteiligt ist. Eine derartige Beteiligung könnte z.B. darin liegen, dass der Grundstückseigentümer die entsprechenden Baugrundstücke verbilligt abgibt, um dem Projektanbieter die Einkalkulierung eines Teils des Grundstückswerts in die Vergütung für die Bauleistungen zu ermöglichen.
Die vorstehenden Rechtsgrundsätze sind in allen einschlägigen, noch offenen Fällen anzuwenden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2