Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von Führungsprovisionen bei offenen Mitversicherungen
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vereinbarung einer „Führungsprovision” im Rahmen einer offenen Mitversicherung ist nicht Teil eines einheitlichen Versicherungsvertrages sondern als separater Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter gem. § 675 Abs. 1 i.V.m. § 611 BGB zu qualifizieren.
- Die aufgrund der Führungsklausel erbrachten Leistungen sind daher nicht als unselbstständige Nebenleistung steuerbefreiter Versicherungsumsätze nach § 4 Nr. 10b UStG anzusehen.
- Die Steuerfreiheit der Leistungen aus der Führungsabrede bei offenen Mitversicherungen ergibt sich auch nicht unmittelbar auf Art 13 Teil B Buchstabe a der 6. EG –Richtlinie 77/388 EWG da die Richtlinienbestimmung nur zu Versicherungsumsätzen gehörige Dienstleistungen befreit, die von Versicherungsmaklern und –vertretern erbracht werden.
Normenkette
UStG § 4 Nrn. 10a, 10b; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B a
Streitjahr(e)
1994
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin, die in Deutschland im Versicherungsgewerbe tätig ist, ist eine nunmehr im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragene inländische Zweigniederlassung der B Versicherung mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland. Bis Januar 2006 hatte sie ihren Sitz in C und firmierte unter B-Versicherung Niederlassung Deutschland. Die Klägerin ist Organträgerin einer umsatzsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, zu der im Streitjahr 1994 u.a.
die Gesellschaften B Lebensversicherungsgesellschaft, D, E, F und G gehörten.
Der am 11.12.1995 für den Organkreis bei der Beklagten eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 stimmte das Finanzamt am 5.11.1996 zunächst zu. Es wurde eine Umsatzsteuer von ./. … DM festgesetzt.
Im Anschluss an eine von der Großbetriebsprüfung des Finanzamtes durchgeführte Betriebsprüfung erging am 8.05.2003 ein Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 1994. Darin wurden die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze um die Erlöse aus sog. Führungsprovisionen aus Mitversicherungsgeschäften in Höhe von … DM erhöht, denen bei diesen Geschäften angefallene Vorsteuern in Höhe von … DM gegenüber gestellt wurden. Eine weitere Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um … DM resultiert aus der in der eingereichten Steuererklärung zunächst unberücksichtigt gebliebenen Übertragung von Sach- und Haftpflichtversicherungsverträgen auf die H-VERS.. Ferner erfolgte eine Kürzung der Vorsteuern aus den Baukosten der Liegenschaft I um … DM entsprechend dem Verhältnis der nicht steuerpflichtig vermieteten Grundstücksflächen zur Gesamtfläche.
Führungsprovisionen:
Zur Risikostreuung im Versicherungsgeschäft bedient sich die Klägerin auch des Instruments der „offenen Mitversicherung”. Dabei wird das Versicherungsrisiko aus einzelnen Verträgen mit einem oder mehreren Versicherungsunternehmen geteilt. Soll ein Risiko im Wege der offenen Mitversicherung versichert werden, bietet ein Versicherungsunternehmen einem Mitbewerber eine Beteiligung an. Ist der andere Versicherer bereit, das Risiko mitzutragen, entsteht die offene Mitversicherung technisch durch Aufnahme einer Beteiligungsklausel in den Versicherungsvertrag, wonach eine Mehrzahl von Versicherungsunternehmen anteilig, nach einer bestimmten Quote Versicherungsschutz bietet. Die Versicherungsgesellschaft, die den Kundenkontakt hergestellt hat, übernimmt regelmäßig die Führung innerhalb des Mitversicherungsgeschäftes. Dieses so genannte Führungsgeschäft beinhaltet die Durchführung der bei Begründung und Abwicklung der Verträge anfallenden Verwaltungsaufgaben wie Besichtigungen, Berechnungen, Ausstellung des Versicherungsscheins, Einziehung der Prämien, Regulierung der Schäden und ähnliches. Die Prämie wird von dem Versicherungsnehmer entweder anteilig an die einzelnen Versicherer gezahlt oder aber –regelmäßig im Interesse der Einfachheit- als Ganzes an die führende Gesellschaft. Von der Gesamtprämie erhält die führende Gesellschaft für den Abschluss und die Bearbeitung des Geschäfts einen bevorzugten Anteil in Höhe von ein bis drei Prozent der Gesamtprämie. Der Mehranteil an Prämie, den das führende Versicherungsunternehmen erhält, wird allgemein als Führungsprovision bezeichnet. Sie wird in Form eines Anteils an der Gesamtprovision berechnet. Eine gesonderte Vergütung anteiliger Verwaltungskosten findet nicht statt. Die Klägerin hat die von ihr vereinnahmten Führungsprovisionen als Entgelt für Leistungen aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungssteuergesetzes nach § 4 Nr. 10 a UStG als umsatzsteuerfrei behandelt. Die Betriebsprüfung und ihr folgend der Beklagte haben die Führungsprovision hingegen als eine Tätigkeitsvergütung angesehen, die derjenige erhalte, der die mit der Führung zusammenhängende Mehrarbeit zu leisten hat. Eine Steuerbefreiung greife insoweit nicht ein.
Teilbestandsübertragung:
Mit Vertrag vom 1.07.1993, der am 21.12.2003 von dem Bundesaufsichtsamt für das Ve...