vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertagung der mündlichen Verhandlung bei zeitweiliger Bildunterbrechung der Videokonferenzschaltung
Leitsatz (redaktionell)
Ist bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz die Bildübertragung zeitweilig unterbrochen, die Tonübertragung jedoch dauerhaft gewährleistet und wird die zeitweilige Bildunterbrechung durch die Beteiligten nicht rechtzeitig innerhalb des Termins gerügt, ist eine Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.
Normenkette
FGO § 91a Abs. 1, § 96 Abs. 2; ZPO § 227 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Streitjahr(e)
2014
Tatbestand
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Auf Antrag der Beteiligten wurde die mündliche Verhandlung mittels Videokonferenz durchgeführt. Während der Videokonferenzschaltung zum Beklagten in A war beim Gericht die Bildübertragung aus A nicht störungsfrei. Teilweise wurde ein Standbild gesendet, teilweise fiel das Bild ganz aus. Dies hat die Vorsitzende während der Durchführung der mündlichen Verhandlung dazu veranlasst, mehrfach bei beiden Beteiligten nachzufragen, ob die Tonübertragung störungsfrei verlaufen ist. Nach Angabe des Beklagten waren in A Bild und Ton beider Übertragungsorte (B und C) während der gesamten Verhandlung beanstandungsfrei.
Zum Übertragungsort C hatte das Gericht seit Beginn der Verhandlung ununterbrochen eine störungsfreie Verbindung. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und der Stellung weiterer Beweisanträge hat die Klägerseite, nachdem die Vorsitzende den Schluss der mündlichen Verhandlung angekündigt hatte, um 12.55 Uhr vorgetragen, sie hätten seit 12.00 Uhr zum Gericht keine Bildverbindung mehr; die Tonübertragung aber sei in Ordnung gewesen.
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Entscheidungsgründe
A. Das Gericht entscheidet aufgrund der per Videokonferenz durchgeführten mündlichen Verhandlung durch Urteil. Eine Vertagung war trotz der zeitweilig nicht fehlerfreien Bildübertragung nicht angezeigt.
Gem. § 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann nach Beginn der mündlichen Verhandlung die Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Maßgebend ist, ob Umstände vorliegen, angesichts derer das gerichtliche Beschleunigungsinteresse/Konzentrationsinteresse zurückzutreten hat, um eine Beeinträchtigung des Rechts der Beteiligten auf Gehör zu vermeiden (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91 FGO Rz. 6 m.w.N.). So ist in Fällen einer Videokonferenz bei technischen Problemen die Verhandlung zu unterbrechen und ggf. zu vertragen (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 10; Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 91a Tz. 6). Nach Auffassung von Schallmoser (in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91a FGO Tz. 42) ist grundsätzlich zu vertagen, wenn technische Probleme auftreten, etwa weil die Konferenzteilnehmer nichts mehr sehen oder hören.
Im Streitfall war das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) der Beteiligten jedoch ununterbrochen gewährleistet, so dass das Gericht keine Vertagung ausgesprochen hat.
Nach dem Wortlaut des § 91a Abs. 1 Satz 2 FGO wird die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Der vorstehende Wortlaut führt nach Auffassung des Gerichts aber nicht zu dem Schluss, dass dann, wenn nicht zeitgleich in Bild und Ton übertragen werden kann, zwingend zu vertagen ist, denn die Norm erklärt vielmehr nur die technischen Möglichkeiten, unter denen eine mündliche Verhandlung gleichzeitig an mehreren Orten zulässig ist. Deshalb ist eine Vertagung bei technischen Störungen nicht zwingend geboten, sondern nur dann, wenn ein erheblicher Grund vorliegt, der die Rechte der Beteiligten beeinträchtigt.
Im Streitfall war die Tonübertragung zwischen allen drei Sitzungssälen ununterbrochen vorhanden, so dass alle Beteiligten dem Vortrag und den Einwendungen der anderen Beteiligten sowie denen des Gerichts folgen konnten. Die Beteiligten haben sich auch tatsächlich durchgehend wechselseitig geäußert. Selbst die Klägervertreter, die den Hinweis gaben, dass die Bildübertragung fast eine Stunde nicht vorhanden war (das Gericht hat sich davon nicht überzeugen können) und das erst zu einem Zeitpunkt, als die Vorsitzende den Schluss der mündlichen Verhandlung bereits angekündigt hatte, haben nicht behauptet, dass der Ton jemals unterbrochen war. Damit ist ausgeschlossen, dass sie einen Teil der Verhandlung nicht nachverfolgen konnten oder an der Erhebung von Einwendungen gehindert waren, zumal reaktionsbedürftige visuelle Eindrücke, wie sie z.B. bei der Vorlage und dem Einsehen von Unterlagen oder ggf. Zeugenvernehmungen entstehen können, in der mündlichen Verhandlung, die sich hier als Rechtsgespräch darstellte, nicht gegeben waren.
Selbst die Klägervertreter haben die zeitweilige Bildunterbrechung nicht als erheblich angesehen und nicht gerügt, dass sie in ihrem rechtlichen Gehör beeinträchtigt gewesen wären. Nur so ist es erklärbar, dass sie erst kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung die fehlende Bildübertragung...