Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerkschaftssekretär. Missbrauch. Zutrittsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber kann nur in besonderen Ausnahmefällen einem Gewerkschaftsbeauftragten aus Gründen, die in dessen Person liegen, den Zutritt zum Betrieb verweigern, so z.B. wenn dieser den Unternehmer oder Arbeitnehmer des Betriebs grob beleidigt und dies erneut zu befürchten ist.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3, Art. 5, 2 Abs. 1, Art. 1; BetrVG § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wetzlar (Beschluss vom 06.07.2010; Aktenzeichen 1 BV 1/10) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 1 ABN 53/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 06. Juli 2010 – 1 BV 1/10 – abgeändert.
Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, entgegen den am 17. Dezember 2009 und am 30. April 2010 ausgesprochenen Hausverboten dem von der Beteiligten zu 1) für zuständig erklärten Gewerkschaftssekretär, Herrn A, den Zugang zu dem Betrieb der Beteiligten zu 2) zur Wahrnehmung aller sich aus § 2 Absatz 2 BetrVG ergebenden Rechte nach vorheriger Unterrichtung der Beteiligten zu 2) während der betriebsüblichen Arbeitszeit zu gewähren.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligte zu 2) unterhält einen Betrieb in B. Sie ist zu 100% ein Tochterunternehmen der Firma C GmbH mit Sitz in D. Geschäftsführer der Firma C GmbH ist Herr Prof. Dr. Dr. E. Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) ist in dem Betrieb der Firma C GmbH in D Betriebsleiter. In dem Betrieb der Beteiligten zu 2) ist ein siebenköpfiger Betriebsrat gebildet.
Die Beteiligte zu 1) ist als zuständige Gewerkschaft in dem Betrieb der Unternehmerin durch gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer vertreten. Der Gewerkschaftssekretär A ist der der Beteiligten zu 2) von der Beteiligten zu 1) für den Betrieb in B zugewiesene Gewerkschaftssekretär. Am 1. Sept. 2008 übernahm die Beteiligte zu 2) von der Firma F GmbH den Betriebsbereich „Repair” mit 61 Arbeitnehmern und mit Wirkung vom 1. April 2009 Teile des Produktionsbereichs mit weiteren 40 Arbeitnehmern. Im Rahmen der Betriebsübergänge wurden die hiervon betroffenen Arbeitnehmer weiter beschäftigt. In einer Betriebsvereinbarung verpflichtete sich die Beteiligte zu 2), den Geschäftsbetrieb am Standort B bis zum 31. Okt. 2013 aufrecht zu erhalten. Die Beteiligte zu 2) ist im Gegensatz zur Firma F GmbH nicht tarifgebunden. Ab Oktober 2009 forderte die Unternehmerin die übernommenen Arbeitnehmer auf, bis zum 15. Jan. 2010 neue Arbeitsverträge zu unterzeichnen, die unter anderem Arbeitszeitverlängerungen ohne Entgeltausgleich sowie Änderungen in der Eingruppierung enthielten. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass bei einer Ablehnung angebotener Vertragsänderungen der Standort B gefährdet sei. Zur Vorbereitung einer Mitgliederversammlung am 11. Nov. 2009 verfasste der Gewerkschaftssekretär A ein Einladungsschreiben, wegen dessen Inhalts auf BI. 64 d. A. verwiesen wird.
Vier Mitglieder des Betriebsrats fuhren auf Aufforderung durch die Beteiligte zu 2) zu deren Hauptsitz nach D. Sie bekundeten gegenüber dem Gewerkschaftssekretär A, sie seien auf dienstliche Anweisung dorthin gefahren und es habe sich nicht um Betriebsratsarbeit, sondern um arbeitsrechtliche Angelegenheiten gehandelt. In einer Bekanntmachung vom 18. Nov. 2009 unterrichtete der Gewerkschaftssekretär A über die beabsichtigte Abwahl des bisherigen Betriebsratsvorsitzenden G. In der Bekanntmachung heißt es insbesondere: „Zu fragen ist auch, ob die Reise der Vier nach D und die, wie sie selbst sagen „privaten Gespräche” mit der Geschäftsleitung vor rund zwei Wochen, in irgendeinem Zusammenhang mit der geplanten Abwahl von G steht ?”. In der Bekanntmachung wurde weiterhin die Bildung von Stundenkonten für Samstagsarbeit und eine Untätigkeit des Betriebsrats deswegen aufgeführt. Wegen des übrigen Inhalts der Bekanntmachung wird auf BI. 64 d. A. Bezug genommen. In der Zeit danach wurde der bisherige Vorsitzende des Betriebsrats durch eine Mehrheit von Mitgliedern des Betriebsrats abgewählt und das bisherige Mitglied, Herr H, zum neuen Vorsitzenden gewählt.
In einer Betriebsversammlung am 18. Dez. 2009 trug der Gewerkschaftssekretär A die von der Gewerkschaft vertretene Bewertung der angebotenen Änderungen vor, riet von einer Unterzeichnung neuer Arbeitsverträge ab und verwahrte sich gegen eine von ihm so gewertete massive Unterdrucksetzung der Arbeitnehmer durch die Unternehmerin. Unter dem 17. Dez. 2009 erteilte die Beteiligte zu 2) ihm gegenüber ein Hausverbot, wegen dessen Inhalts auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen wird. Weiterhin veröffentlichte die Unternehmerin per Aushang vom 21. Dez. 2009 (BI. 9 d. A.) in dem Betrieb eine Mitteilung der Geschäftsführung, in der dem Gewerkschaftssekretär vorgeworfen wird, „Hass- und Hetztiraden” verbreitet zu haben. Die Belegschaft wurde in dem Aushang darauf hingewiesen, dass der Betrieb schrittweise nach I verlagert werde, falls die erforderliche Zustimmung zu den geänderten Arbeitsbedingungen nicht bi...