Das Vergleichswertverfahren (hier: Vergleichspreisverfahren) ist bei der Bewertung des Erbbaurechts nicht (mehr) anzuwenden. Es wurde aus "Praktikabilitätsgründen" ausgeschlossen (BR-Drucks. 457/22, 139).
a) Ausgangspunkt: Wert des fiktiven Volleigentums (§ 193 Abs. 1 BewG)
Bewertet wird das Erbbaurecht vorrangig ausgehend vom Wert des (fiktiv) unbelasteten Grundstücks.
Der Begriff "fiktives Volleigentum" (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 ImmoWertV) wurde im BewG durch "unbelastetes Grundstück" ersetzt.
Beraterhinweis Das Gesetz sieht die Ermittlung des Werts des unbelasteten Grundstücks nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG vor. U.E. müsste es "§§ 179, 182 bis 191 und 196 BewG" heißen. Die §§ 192 bis 195 BewG regeln die Bewertung belasteter Grundstücke.
aa) Erbbaurechtskoeffizienten
Erbbaurechtskoeffizienten geben das Verhältnis zwischen dem Wert des Erbbaurechts und dem Wert des unbelasteten Grundstücks an (§ 23 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV). Sie gehören zu den für die Wertermittlung erforderlichen Daten und sind aus geeigneten Kaufpreisen (§ 12 Abs. 3 ImmoWertV) und den diesen Kaufpreisen entspr. Werten der unbelasteten Grundstücke zu ermitteln (§ 23 Abs. 3 Satz 1 ImmoWertV).
Die Gutachterausschüsse ermitteln Erbbaurechtskoeffizienten und teilen diese den zuständigen FA mit (§ 193 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 7 ImmoWertV).
Erbbaurechtsverträge sind individuell gestaltet. Die Koeffizienten sind insb. abhängig von
- dem sachlichen und regionalen Teilmarkt,
- der Nutzung,
- der Restlaufzeit,
- der Höhe des erzielbaren Erbbauzinses,
- der Anpassungsmöglichkeit des Erbbauzinses,
- der Lage,
- den weiteren Vertragsbedingungen (bspw. Verlängerungsoption oder Entschädigungsregelung bei Ablauf des Erbbaurechts).
Die Erfassung all dieser Abhängigkeiten in einem einzelnen Erbbaurechtskoeffizient scheint zweifelhaft (s.a. Seitz, GuG 2022, 67 [68]). Es überrascht, dass der Gesetzgeber die Anwendung des Vergleichspreisverfahrens ausschließt, gleichzeitig aber die Verwendung von Erbbaurechtskoeffizienten als vorrangiges Verfahren vorgibt.
Beraterhinweis Erbbaurechtskoeffizienten des Gutachterausschusses sind nach § 177 Abs. 2 und 3 BewG grundsätzlich als geeignet anzusehen. Die Bewertung des Volleigentums bzw. unbelasteten Grundstücks nach der ImmoWertV und dem BewG erfolgt weitgehend in demselben Modell.
bb) Berücksichtigung von nicht zu entschädigenden Wertanteilen von Gebäuden
Verbleibt bei Ablauf des Erbbaurechts ein Gebäudewert und geht dieser (anteilig) entschädigungslos auf den Erbbaurechtsgeber über, ist dem Erbbauberechtigten am Bewertungsstichtag nicht der volle Gebäudewert zuzurechnen.
Es ist davon auszugehen, dass Entschädigungsvereinbarungen jeglicher Art nicht (hinreichend) durch Erbbaurechtskoeffizienten abgebildet werden können.
"Für den Fall, dass die Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen die Restlaufzeit des Erbbaurechts übersteigt, ist die Anwendung von Erbbaurechtskoeffizienten [...] vor dem Hintergrund der Entschädigungsvereinbarungen augenscheinlich ungeeignet" ( Seitz, GuG 2022, 67 [69]).
b) Ausgangspunkt: Finanzmathematischer Wert des Erbbaurechts (§ 193 Abs. 2 bis 5 BewG)
Das finanzmathematische Verfahren ist anzuwenden, wenn kein (geeigneter) Erbbaurechtskoeffizient vom Gutachterausschuss vorliegt (§ 193 Abs. 2 Satz 1 BewG).
aa) Verfahrensablauf
bb) Erbbaurechtsfaktoren (§ 193 Abs. 2 BewG)
Erbbaurechtsfaktoren geben das Verhältnis zwischen dem Wert des Erbbaurechts und dem finanzmathematischen Wert des Erbbaurechts an (§ 22 Abs. 2 Satz 1 ImmoWertV). Sie sind aus geeigneten Kaufpreisen (§ 12 Abs. 3 ImmoWertV) und den diesen Kaufpreisen entspr. finanzmathematischen Werten zu ermitteln (§ 22 Abs. 3 ImmoWertV). Vorrangig sind Erbbaurechtsfaktoren des Gutachterausschusses anzuwenden (§ 193 Abs. 2 Satz 2 BewG). Liegt kein (geeigneter) Erbbaurechtsfaktor des Gutachterausschusses vor, gilt der Faktor 1,0 (§ 193 Abs. 2 Satz 3 BewG).
cc) Zinssätze für die Kapitalisierung (§ 193 Abs. 4 BewG)
Der Unterschiedsbetrag aus dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks und dem vereinbarten jährlichen Erbbauzins ist zu kapitalisieren. Getreu dem Grundsatz der Modellkonformität ist für die Kapitalisierung der Zinssatz zu verwenden, den der Gutachterausschuss bei der Ableitung des Erbbaurechtsfaktors zugrunde gelegt hat. Stehen keine entspr. Zinssätze vom Gutachterausschuss...