Leitsatz
1. Veräußert ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen "Massekostenbeitrag" zugunsten der Masse einbehalten darf. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter.
2. Eine steuerbare Leistung liegt auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vor (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 3 Abs. 1, 3 und Abs. 9 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1999, Art. 2 Nr. 1, Art. 5 Abs. 4 Buchst. c, Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Insolvenzverwalter verwertete absprachegemäß Massegrundstücke durch freihändigen Verkauf. Hierfür und für die Grundstücksverwaltung erhielt er vereinbarungsgemäß sog. "Massekostenbeiträge", die er umsatzsteuerfrei beließ. Das FG bestätigte demgegenüber die Auffassung des FA, die Massekostenbeiträge seien Geschäftsbesorgungsentgelt und daher umsatzsteuerpflichtig (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.06.2009, 5 K 3940/07 U, Haufe-Index 2263700, EFG 2009, 1882).
Entscheidung
Die Revision führte zur Zurückverweisung, weil nach den Sachverhaltsfeststellungen des FG nicht auszuschließen war, dass der Veräußerungserlös die besicherte Forderung z.T. überstieg und kein Massekostenbeitrag einbehalten worden ist.
Hinweis
1. Zwangsversteigerung und freihändige Veräußerung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks erfolgen "für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers)". Umsatzsteuerrechtlich liefert der Eigentümer – kraft Amtes vertreten durch den Insolvenzverwalter – direkt an den Erwerber. Damit liegt kein "Doppelumsatz" durch eine Lieferung an den Grundpfandgläubiger und erst durch diesen an den Erwerber vor. Ob hiernach die Auffassung zum "Dreifachumsatz" bei Verwertung von Sicherungsgut – BFH, Urteil vom 23.07.2009, V R 27/07 (BFH/NV 2009, 2070, BFH/PR 2011, 14) – zu überdenken ist, ließ der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit offen.
2. Veräußert der Insolvenzverwalter aufgrund der Vereinbarung mit dem Grundpfandgläubiger das belastete Massegrundstück freihändig und erhält einen Massekostenbeitrag, erbringt er eine (entgeltliche) sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 S. 1 UStG an den Grundpfandgläubiger, denn dieser wäre andernfalls auf die Zwangsvollstreckung verwiesen. Eine – aufgrund des gesetzlichen Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 170, 171 InsO entgeltliche – sonstige Leistung ist auch die Veräußerung von beweglichen Gegenständen mit Absonderungsrecht (Änderung der Rechtsprechung).
Vergleichbares gilt für die Massekostenbeiträge bei der "kalten Zwangsverwaltung".
3. An einem Entgelt fehlt es jedoch, wenn vereinbarungsgemäß bei einem die besicherte Forderung übersteigenden Erlös kein Massebeitrag einbehalten werden darf.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.07.2011 – V R 28/09