Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Das Kassenstaatsprinzip gilt, wenn Arbeitnehmer Einkünfte aus öffentlichen Kassen erhalten. Die Kasse muss zum Bereich der unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung gehören und staatlicher Aufsicht unterliegen. Sie kann von Gebietskörperschaften, anderen öffentlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Zweckvermögen unterhalten werden. Kassen von Religionsgemeinschaften gehören dazu, wenn die Religionsgemeinschaft Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.
Nach § 34d Nr. 5 S. 1 Halbs. 2 EStG liegen bereits dann ausl. Einkünfte vor, wenn das Arbeitsentgelt von einer ausl. öffentlichen Kasse mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt wird, auch wenn die Arbeit im Inland ausgeübt oder verwertet worden ist. Der Arbeitnehmer wird in diesem Fall im Ausland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen; diese ausl. Steuer kann er im Inland anrechnen. Andererseits bilden Zahlungen aus inländischen öffentlichen Kassen nach § 34d Nr. 5 S. 2 EStG inländische Einkünfte, wenn die Tätigkeit in einem ausl. Staat ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. Steuern des ausl. Staates können daher nicht angerechnet, sie können nur nach § 34c Abs. 3 EStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden.
Entsprechend bilden nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG Einkünfte aus inländischen öffentlichen Kassen der beschr. Steuerpflicht unterliegende inländische Einkünfte, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem ausl. Arbeitgeber besteht. Bezieht der Arbeitnehmer Einkünfte von einem inländischen Arbeitgeber, kann nach § 1 Abs. 2 EStG erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht vorliegen.
Die Anwendung des Kassenstaatsprinzips bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen setzt nicht voraus, dass ein unmittelbares Dienstverhältnis und damit ein Arbeitsverhältnis zu dem jeweiligen Kassenträger besteht. Das Dienstverhältnis kann daher auch zu einem Arbeitgeber in dem jeweiligen Tätigkeitsstaat bestehen.
Art. 19 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA ordnet das Besteuerungsrecht ebenfalls nach dem Kassenstaatsprinzip zu. Dabei beschränkt diese Vorschrift das Kassenstaatsprinzip auf Kassen des Vertragsstaates und der Gebietskörperschaften. In einzelnen DBA ist das Kassenstaatsprinzip aber auf alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeweitet (z. B. Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz) und entspricht damit dem Verständnis des nationalen Rechts. Es genügt aber nicht, dass die Zahlungen zulasten der öffentlichen Kasse geleistet werden. Vielmehr müssen die Vergütungen für Dienste geleistet werden, die im öffentlichen Interesse liegen. Bei Dienstleistungen für internationale Organisationen kann dies unterstellt werden. Einzelne DBA setzen darüber hinaus voraus, dass der Staat oder die Gebietskörperschaft Arbeitgeberfunktion hat oder die Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung ausgeübt wird. Entsprechend Art. 19 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA gilt jedoch das Arbeitsortsprinzip, wenn der Arbeitnehmer im Staat des Arbeitsortes ansässig ist und dessen Staatsangehörigkeit besitzt.
Das Kassenstaatsprinzip gilt auch für Pensionen. Sie werden entsprechend Art. 19 Abs. 2 OECD-MA im Kassenstaat, nicht in dem früheren Tätigkeitsstaat oder im Ansässigkeitsstaat, besteuert.
Das Kassenstaatsprinzip gilt entsprechend Art. 19 Abs. 3 OECD-MA nicht, wenn die Vergütungen im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit des Staates oder der Gebietskörperschaft geleistet werden, und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst ist.