Leitsatz
1. Einen Anspruch auf Überlassung von Kopien der von Kreditinstituten gem. § 33 ErbStG eingereichten Anzeigen haben Erben nicht, wenn das FA die Akte mit dem Vermerk "steuerfrei" geschlossen hat, ohne die Erben an dem Verfahren zu beteiligen.
2. Auch aus Treu und Glauben ergibt sich kein Informationsanspruch gegen das FA, wenn die Auskunft nicht der Wahrnehmung von Rechten im Besteuerungsverfahren dienen kann.
Normenkette
§ 91, § 364, § 78 AO, § 33 ErbStG, § 40 FGO, § 2039, § 242 BGB
Sachverhalt
Drei Geschwister sind Erben nach ihrem Vater geworden. Erbschaftsteuerbescheide sind nicht ergangen, weil das FA nach Prüfung von Amts wegen feststellte, dass die Freibeträge nicht überschritten sind.
Einige Zeit später bat einer der Erben das FA um Kopien der von den Kreditinstituten eingereichten Anzeigen, da er diese im Erbschaftsstreit mit den Miterben benötige. Das FA lehnte die Herausgabe ab und berief sich dabei auf das Steuergeheimnis.
Entscheidung
Der BFH hatte die Revision zugelassen, er hat jetzt jedoch die Klage ebenso wie das FG für unbegründet erachtet (Hessisches FG, Urteil vom 15.01.2008, 1 K 1448/07, Haufe-Index 2300199). Es fehlt eine Anspruchsgrundlage.
Hinweis
1. Die AO kennt – anders als andere Verfahrensordnungen (vgl. § 29 VwVfG, § 147 StPO) – keinen Anspruch auf Akteneinsicht während eines steuerrechtlichen Verfahrens. Allerdings gesteht der BFH dem Steuerpflichtigen einen diesbezüglichen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung zu (vgl. BFH, Beschluss vom 04.06.2003, VII B 138/01, BFH/NV 2003, 1356), aber nur während eines Verwaltungsverfahrens und zu verfahrenseigenen Zwecken.
Ferner gewährt § 364 AO sinngemäß einen Anspruch auf Auskunft über den Akteninhalt bzw. ein Akteneinsichtsrecht, aber selbstredend nicht nach Abschluss des Einspruchsverfahrens.
2. Für einen Anspruch auf Einsicht bzw. Auskunft über die Akten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens (oder wenn man eine amtsinterne Prüfung der Voraussetzungen für den Erlass eines Steuerbescheids noch nicht als Beginn eines Verwaltungsverfahrens ansieht, in außerhalb eines Verfahrens entstandene Behördenakten) kommt also – vorbehaltlich des am Schluss zum Informationsfreiheitsgesetz Bemerkten – allenfalls eine Herleitung eines Anspruchs aus dem Verfassungsrecht in Betracht. Denn der in diesem Zusammenhang mitunter bemühte Grundsatz von Treu und Glauben begründet keine Ansprüche, sondern regelt nur, wie anderweit begründete Ansprüche zu erfüllen sind.
3. Im Besprechungsfall war das erbschaftsteuerliche Verwaltungsverfahren abgeschlossen (oder überhaupt nie eröffnet worden, siehe oben.) und insbesondere ein Einspruchsverfahren niemals anhängig gewesen. Weder § 364 AO noch der richterrechtlich kreierte Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Auskunfts- bzw. Einsichtnahmeersuchen konnte also von dem Erben in Anspruch genommen werden. Er wollte sich vielmehr die bei der Behörde angefallenen Bankmitteilungen für Zwecke zunutze machen, die völlig außerhalb des Zwecks und Ziels des Vollzugs des Erbschaftsteuergesetzes liegen, nämlich für eine privatrechtliche Auseinandersetzung mit seinen Miterben. Dass die Grundrechte das FA nicht verpflichten, ihm dabei behilflich zu sein, liegt auf der Hand. Welche Möglichkeiten ein Bürger hat, im Streit mit Mitbürgern den Sachverhalt aufzuklären, regelt vielmehr das Zivilprozessrecht (u.a. mit dem Verbot des Ausforschungsbeweises!), dessen Bestimmungen gleichsam zu unterlaufen eine Behörde schwerlich verpflichtet oder auch nur in Ausübung ihres Ermessens angehalten sein kann. Dafür ist völlig belanglos, ob ihr eine solche Hilfestellung an sich ohne Weiteres und mühelos möglich wäre und wie sehr sie dem betroffenen Bürger nützlich wäre.
Alle Versuche in solchen Fällen, ein Auskunftsrecht als nachträgliche Obliegenheit aus dem (abgeschlossenen) Verwaltungsverfahren zu konstruieren, sind nicht zuletzt deshalb verfehlt, weil hier die Auskunft zu völlig verfahrensfremden Zwecken begehrt wird (anders wäre es z.B., wenn sie zur Vorbereitung eines Amtshaftungsbegehrens verlangt wird). Dass der unzufriedene, misstrauische Miterbe bei einem anderen Verfahrensablauf – etwa wenn ein Einspruchsverfahren anhängig geworden wäre – unter Umständen die betreffenden Informationen vom FA erhalten hätte und natürlich dann auch für jene verfahrensfremden Zwecke hätte verwenden können, steht auf einem anderen Blatt; daraus lässt sich schwerlich ein Anspruch konstruieren, so gestellt zu werden, wie der Betreffende gestellt gewesen wäre, wenn die Dinge zufällig einen für ihn und seine privaten Bestrebungen günstigeren Verlauf genommen hätten!
4. Im Besprechungsfall waren Ansprüche aus einem Informationsfreiheitsgesetz nicht einschlägig, weil selbstredend nur das Landesrecht dafür infrage gekommen wäre und es in dem betreffenden Land (noch) kein Informationsfreiheitsgesetz gibt.
Es wäre aber sonst die Frage kritisch zu prüfen, ob ein Informationsfreiheitsgesetz, das in erster Linie die Wahrnehmung staatsbürgerlicher, polit...