Leitsatz
1. Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S.v. § 3 Abs. 9a UStG 1999 zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (Änderung der Rechtsprechung). Dies gilt auch, wenn er mit dieser Entnahme mittelbar Ziele verfolgt, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigen.
2. Der Unternehmer ist aus Leistungen für Betriebsausflüge, die ausschließlich und unmittelbar dem privaten Bedarf des Personals i.S.v. § 3 Abs. 9a UStG 1999 dienen, im Regelfall auch dann nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er mittelbar beabsichtigt, durch den Betriebsausflug das Betriebsklima zu verbessern. Anders ist es nur, wenn es sich im Verhältnis des Unternehmers zum Betriebsangehörigen um eine sog. Aufmerksamkeit handelt.
Normenkette
§ 3 Abs. 9a, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG 1999, Art. 6 Abs. 2, Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Steuerberater hatte sein Personal zu einem zweitägigen Betriebsausflug eingeladen. Die Kosten dafür überstiegen die Freigrenze von 110 EUR.
Das FA setzte daher eine Entnahme i.H. der tatsächliche Kosten/je Arbeitnehmer von ca. 250 EUR an. Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil vom 06.05.2010, 5 K 3950/07 U, Haufe-Index 2349914, EFG 2010, 1827).
Entscheidung
Die Sache wurde zurückverwiesen, denn zum konkreten Inhalt der bezogenen Leistungen fehlten Feststellungen. Lag – wovon nach dem Sachverhalt wohl auszugehen war – keine Betriebsveranstaltung mit einem konkreten inhaltlich unternehmensbezogenen Programm und lediglich marginalen Verpflegungsaufwendungen vor, bestand kein Anspruch auf Vorsteuerabzug und war demzufolge aber auch keine Entnahme zu besteuern. Denn der unmittelbare Zusammenhang der Verwendung für eine Entnahme schließt die Berücksichtigung des mittelbaren Zusammenhangs (Verbesserung des Betriebsklimas) aus.
Das kann sich, wenn der Unternehmer steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 20 UStG in Anspruch genommen hat, günstig auswirken, weil keine Entnahme zu besteuern ist.
Hinweis
Der BFH hat zeitgleich drei Urteile zum Vorsteuerabzug veröffentlicht (V R 12/08, BFH/NV 2011, 721, BFH/PR 2011, 194, V R 38/09, BFH/NV 2011, 727, BFH/PR 2011, 196 und V R 17/10, BFH/NV 2011, 717).
Die wesentlichen Grundsätze sind – trotz unterschiedlichen Sachverhalts – dieselben und werden zur Vermeidung von Wiederholungen im Besprechungsfall V R 12/08 dargestellt.
1."Betriebsausflüge" dienen zwar mittelbar der Verbesserung des Betriebsklimas. Umsatzsteuerrechtlicher Anknüpfungspunkt ist aber die konkrete Leistung, die der Unternehmer bezieht: Beförderungen, Theaterbesuche, Mahlzeiten oder – wenn ein Leistungspaket bezogen wird – eine Reise, mithin Leistungen, für die eine Privatperson Mehrwertsteuer hätte zahlen müssen, und die – zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile – als Entnahmetatbestände der USt unterliegen.
Insoweit ist die EuGH-Rechtsprechung zur Beförderung und Verköstigung von Arbeitnehmern zu beachten.
a) |
Nach dem Urteil "Fillibeck" ist auch die unentgeltliche Beförderung von der Wohnung zur Arbeitsstätte nur ausnahmsweise keine Leistung des Arbeitgebers zu unternehmensfremden Zwecken und darf der persönliche Vorteil gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich beurteilt werden. |
b) |
Auch die unentgeltliche Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer dient nach dem EuGH-Urteil "Danfoss und AstraZeneca"nur ausnahmsweise nicht dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und ist nur ausnahmsweise – auswärtige Besprechungsteilnehmer, jedenfalls nicht in einer Gaststätte, geringer Umfang (Sandwichs und kalte Gerichte), durch den Sitzungsablauf bedingt. |
c) |
Daraus ergibt sich allgemein, dass Leistungen an Arbeitnehmer, die aus der Sicht des Arbeitnehmers (im Vergleich zu einer "Privatperson") dessen privaten Zwecken dienen, wie z.B. die Beförderung von der Wohnung zum Arbeitsplatz und die Abgabe von Mahlzeiten, nur dann nicht als Entnahme zu berücksichtigen sind, wenn ausnahmsweise der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer daraus ziehen, gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens als nur untergeordnet erscheint. |
2. Die RL enthält die Einschränkung der nationalen Entnahmetatbestände – wonach zugunsten des Unternehmers sog. Aufmerksamkeiten nicht als Entnahme berücksichtigt werden müssen – nicht. Der Begriff der "Aufmerksamkeit" ist daher schon deshalb – als nationalrechtliche Ausnahme von der Steuerpflicht – eng auszulegen. Die Finanzverwaltung hat sich in Abschn. 12 Abs. 4 UStR zur Frage, ob das betriebliche Interesse die Befriedigung des privaten Bedarfs des Arbeitnehmers überlagert, in Anlehnung an das LSt-Recht pragmatisch für eine betragsmäßige Freigrenze (110 EUR) entschieden. Über Sachverhalte, die die Grenze nicht erreichen, wird der BFH wohl nicht zu entscheiden haben. Jedenfalls wenn diese überschritten ist, liegt jedoch keine Aufmerksamkeit mehr vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.12.2010 – V R 17/10