Leitsatz
1. Die Bestandskraft eines nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ergangenen Steueränderungsbescheids steht einer erneuten Änderung der Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift unter Berufung auf die vorausgegangene Zustimmung bzw. den vorausgegangenen Antrag entgegen.
2. Die Ersetzungsregelung des § 365 Abs. 3 AO findet keine analoge Anwendung auf Änderungen nach §§ 172 ff. AO außerhalb eines Einspruchsverfahrens.
Normenkette
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a, § 365 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Die Kläger (Eheleute) waren bestandskräftig und vorbehaltslos zur ESt 1997 veranlagt worden. Im März 2000 teilten die Kläger dem FA mit, die dem Kläger als beherrschendem Gesellschafter der X-GmbH zustehenden Tantiemen für 1996 seien fehlerhaft erst verspätet im Zuflusszeitpunkt erfasst worden. Richtig sei, die Tantieme für 1996 vollständig i.H.v. 707.300 DM bereits im Streitjahr 1997 (Jahr des Jahresabschlusses und der Fälligkeit) zu erfassen; die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit seien zusätzlich um 457.310 DM zu erhöhen.
Nachdem das FA die ESt 1997 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aus anderen Gründen erhöht und sich die Kläger gegen den Änderungsbescheid mit einem als Einspruch bezeichneten Schreiben gewendet hatten, erließ das FA einen weiteren Änderungsbescheid vom 18.7.2000, in welchem es die Einkünfte des Klägers (lediglich) um 162.273 DM (statt der beantragten 457.310 DM) erhöhte. Zugleich führte das FA in den Erläuterungen hierzu an, dass dem Antrag des Klägers in vollem Umfang entsprochen und der Rechtsbehelf bzw. Antrag sich hierdurch erledigt habe.
Nach einer Außenprüfung erhöhte das FA in einem weiteren ESt-Bescheid u.a. die Einkünfte des Klägers um den Restbetrag der Tantieme i.H.v. 295.037 DM (457.310 DM ./. 162.273 DM). Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung im Ergebnis. Das FA sei verfahrensrechtlich gehindert, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe des streitbefangenen Teilbetrags i.H.v. 295.037 DM zum Gegenstand eines weiteren Änderungsbescheids zu machen. Eine Änderungsmöglichkeit ergebe sich weder aus § 367 Abs. 2 noch aus § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Eine Änderung des Bescheids vom 18.7.2000 lasse sich auch nicht auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO stützen. Eine erneute oder aber fortdauernde Zustimmung zur Erhöhung der Einkünfte liege nach Ergehen des Bescheids vom 18.7.2000 nicht (mehr) vor.
Hinweis
1. Der Besprechungsfall weist verfahrensrechtliche Besonderheiten auf. Die Kläger hatten mit einem Antrag auf schlichte Änderung eine Erhöhung der Steuerfestsetzung begehrt. Im Rahmen ihrer Anzeige- und Berichtigungspflichten nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO hatten sie angeführt, dass die Tantieme des Klägers (als beherrschender Gesellschafter) bereits im Streitjahr 1997 – und nicht wie bisher angenommen in einem späteren VZ – anzusetzen sei. Dieses Begehren hat das FA rechnerisch fehlerhaft umgesetzt und einen zu geringen Erhöhungsbetrag bestandskräftig angesetzt.
2. Da sämtliche Änderungsvorschriften (§ 129, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) nicht mehr eingriffen, spitzte sich der Streitfall im Kern auf die Frage zu, ob die ursprüngliche Zustimmung des Klägers auf Ansatz des vollen Tantieme-Erhöhungsbetrags auch noch nach Erlass des bestandskräftigen ESt-Bescheids (mit der zu niedrigen ESt-Schuld) gegeben war. Diese Frage hat der BFH verneint. Die Zustimmung eines Steuerpflichtigen wirkt nicht über den diesbezüglichen Änderungsbescheid hinaus.
3. Von Interesse sind insbesondere die Ausführungen des BFH dahingehend, dass die Vorschriften über eine Teilabhilfe im Einspruchsverfahren nicht auf die Änderung von Bescheiden kraft Zustimmung (§ 172 Abs. 1 Nr. 2a AO) übertragbar sind. Insoweit regelt die Vorschrift des § 365 Abs. 3 AO für das Einspruchsverfahren, dass ein nicht in vollem Umfang dem Einspruchsbegehren abhelfender Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens wird; dieser bleibt damit unter Hemmung des Eintritts der Bestandskraft nach Maßgabe des § 367 Abs. 2 AO überprüfbar und änderbar, und zwar auch dann, wenn das FA fälschlich das Einspruchsverfahren für erledigt erklärt.
Für das Änderungsverfahren (außerhalb eines Einspruchsverfahrens) gibt es jedoch keine dem § 365 Abs. 3 AO entsprechende Vorschrift. Die §§ 172 ff. AO 1977 regeln das Spannungsverhältnis zwischen materiell richtiger Steuer (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung) und Vertrauen in die Bestandskraft (Rechtssicherheit) abschließend. Das heißt, die Durchbrechung der grundsätzlich bestehenden Unabänderlichkeit bestandskräftiger Steuerbescheide ist zugunsten der materiellen Richtigkeit nur unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen zugelassen; in allen anderen Fällen ist die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsakts hinzunehmen.
4. Dies heißt aber auch: Entspricht ein außerhalb eines Einspruchsverfahrens ergangener (vorbehaltsloser) Steuerbescheid nicht dem Begehren des Steuerpflichtigen, so muss dieser Einspruch einlegen, wenn er sein Begehren weiterverfo...