Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, dass eine unangekündigte oder ohne Einwilligung durchgeführte Haustürwerbung nur dann eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 1 UWG begründet, wenn aufgrund besonderer Umstände die Gefahr einer untragbaren oder sonst wettbewerbswidrigen Belästigung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs gegeben ist.
2. In Bezug auf Haustürbesuche, insbesondere im Hinblick auf ihre gegenüber Verbrauchern durchgeführte Anzahl, sind keine tatsächlichen Veränderungen erkennbar, die dazu führen, derzeit in unangekündigten oder ohne Einwilligung durchgeführten Haustürbesuchen grundsätzlich einen Verstoß gegen § 7 Absatz 1 Satz 1 UWG zu sehen.
3. Aus europarechtlichen Vorgaben, insbesondere aus der sog. UGP-Richtlinie (2005/29/EG), folgt nicht, dass unangekündigte Haustürbesuche bei Verbrauchern oder Haustürbesuche ohne dessen Einwilligung in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich unzulässig sind.
Normenkette
UWG § 7 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 49/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2018 - 16 O 49/18 - teilweise geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen sich gegenüber Verbrauchern zur Anbahnung von Vertragsgesprächen an der Wohnungstür als Mitarbeiter der Stadtwerke ... und/oder als Beauftragte der Hausverwaltung auszugeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2018 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Unterlassung in Höhe von 6.000,- Euro und im Übrigen in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit hinsichtlich der Unterlassung in Höhe von 6.000,- Euro und im Übrigen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen einer von der Beklagten veranlassten Haustürwerbung sowie eine Kostenpauschale für sein vorprozessuales Abmahnschreiben geltend.
Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:
Die Klage ist der Beklagten am 27.02.2018 zugestellt worden.
Mit Urteil vom 18.12.2018 hat das Landgericht die Beklagte gemäß dem Hauptantrag des Klägers zur Unterlassung verurteilt und dem Kläger die geltend gemachte Kostenpauschale nebst Zinsen zugesprochen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 21.03.2019 zugestellt worden. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach Klageabweisung weiter. Die Berufung ist beim Kammergericht am 26.03.2019 eingegangen, welche die Beklagte - nach zweimaliger Verlängerung der Frist um jeweils einen Monat - mit ihrer am 17.07.2019 beim Kammergericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift vom selben Tage begründet hat.
Die Beklagte rügt zunächst, dass die Erwägung des Landgerichts, die eingeschalteten Vertriebspersonen erkämpften sich durch unlautere Methoden den Zugang zu den Verbrauchern (zum Beispiel durch "Hineinschlüpfen"), unzulässig sei. Bei einer solchen Praxis der Vertriebspersonen handele es sich nicht um ein typisches Vorgehen, weshalb sie bei der Prüfung, ob die hier interessierenden Haustürbesuche ohne vorherige Einwilligung grundsätzlich unzulässig seien, außer Betracht bleiben müsse.
Zudem bestehe ein Widerspruch zwischen dem Verbotsausspruch und den Entscheidungsgründen des Landgerichts. Das Landgericht untersage der Beklagten gemäß dem Tenor, Verbraucher ohne deren vorherige Einwilligung aufzusuchen oder aufsuchen zu lassen. Dagegen lasse das Landgericht im Rahmen der Entscheidungsgründe ausdrücklich offen, ob eine vorherige Einwilligung erforderlich sei, wobei die Beklagte insoweit auf Seite 7 des landgerichtlichen Urteils verweist.
Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung sei es dem Verbraucher leicht möglich, sich durch einen Aufkleber an der Haustür, der den entgegenstehenden Willen des Verbrauchers zum Ausdruck bringe, gegen unbestellte Vertreterbesuche zu schützen; zur Veranschaulichung verweist die Beklagte auf den als Anlage BB 1 vorgelegten Ausdruck.
Die Entscheidung des Landgerichts bedeute letztlich ein Per-se-Verbot von Haustürbesuchen, in welche der Verbraucher ni...