Die Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG, bestehend aus dem Kinderfreibetrag und dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (= Bedarfsfreibetrag), haben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Einkommensbesteuerung in der Wechselbeziehung mit dem Kindergeld die Funktion, bei unterhaltspflichtigen Eltern deren Aufwand für das Existenzminimum der Kinder von der Besteuerung freizustellen.
Damit wird dem subjektiven Nettoprinzip, also dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, Rechnung getragen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.
Durch § 31 EStG werden die Freibeträge für Kinder mit dem Kindergeld verknüpft. Dies geschieht mittels der Vergleichsrechnung im Rahmen der ESt-Veranlagung (= Günstigerprüfung) zwischen dem während des laufenden Jahres gezahlten Kindergeld und der Steuerminderung durch die Freibeträge für Kinder.
- Historie und aktuelle Zahlen
Der Kinderfreibetrag gehört zum Kreis der am häufigsten geänderten steuerlichen Tatbestände. Dies betrifft sowohl die einzelnen Berücksichtigungsvoraussetzungen für Kinder als auch die Höhe der Kinderfreibeträge.
Während die Freibeträge für Kinder erst bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden, wird das Kindergeld (VZ 2024: 250 EUR; s. Kindergeld) im laufenden Kalenderjahr monatlich als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG).Der Kinderbonus 2022, der zusätzlich zum Kindergeld als einmalige Sonderzahlung gewährt wurde, betrug 100 EUR für jedes Kind, für das in mindestens einem Monat in 2022 ein Anspruch auf Kindergeld bestand (§ 66 Abs. 1 Satz 2 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 2022 v. 23.5.2022, BStBl 2022 I S. 662). Einen Kinderbonus zusätzlich zum Kindergeld gibt es seit dem Jahr 2023 nicht mehr.
In den letzten Jahren wurden die Kinderfreibeträge immer wieder geringfügig erhöht. Der sog. Bedarfsfreibetrag wurde nach vielen Jahren ab VZ 2021 auf 1.464/2.928 EUR erhöht (Zweites Familienentlastungsgesetz v. 1.12.2020, BStBl 2020 I S. 1347).
Der 14. Existenzminimumbericht (BT-Drucks. 20/4443) sowie der 5. Steuerprogressionsbericht v. 2.11.2022 (BT-Drucks. 20/4444) ergaben einen Erhöhungsbedarf beim Kinderfreibetrag und Grundfreibetrag. Erhöhungen waren daher notwendig, um das sog. Existenzminimum für alle steuerfrei zu stellen. Die Berichtsergebnisse flossen in das Inflationsausgleichsgesetz (InflAusG v. 8.12.2022, BStBl 2023 I S. 3) ein.
Im Inflationsausgleichsgesetz wurde daher eine weitere Anhebung des Kinderfreibetrags rückwirkend zum 1.1.2022 von 2.730/5.460 EUR auf 2.810/5.620 EUR beschlossen. Für 2023 wurde der Kinderfreibetrag auf 3.012 EUR/6.024 EUR angehoben. Der angepasste Kinderfreibetrag für das Jahr 2024 beträgt 3.192 EUR/6.384 EUR.
Der Grundfreibetrag wurde ebenso mit dem Inflationsausgleichsgesetz zum 1.1.2023 auf 10.908 EUR und zum 1.1.2024 auf 11.604 EUR angehoben.
Nachdem die Entwicklung aber anders als im 14. Progressionsbericht prognostiziert verlaufen ist und die sozialrechtlichen Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2024 stärker gestiegen sind (BR-Drucks. 454/23), hat die Bundesregierung am 24.7.2024 den Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 beschlossen (BR-Drucks. 375/24). Mit dem Gesetz sollen sowohl der Grundfreibetrag als auch der Kinderfreibetrag für das laufende Jahr 2024 nochmals (rückwirkend) angehoben werden. Geplant ist eine Erhöhung des Kinderfreibetrags um 228 EUR auf 6.612 EUR und des Grundfreibetrags um 180 EUR auf 11.784 EUR.
Mit Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 v. 10.12.2019, BGBl 2019 I S. 2115, sind mit Wirkung ab VZ 2021 die Freigrenzen in § 3 Abs. 3 Satz 1 SolZG für die Einzelveranlagung auf 16.956 EUR und für die Zusammenveranlagung auf 33.912 EUR angehoben worden. Zur Vermeidung zusätzlicher Belastungen durch den Solidaritätszuschlag wird die Freigrenze nach § 3 SolzG 1995 für die Jahre 2023 und 2024 anlässlich der Erhöhung des Grundfreibetrags ebenso erneut angehoben (InflAusG v. 8.12.2022, BStBl 2023 I S. 3). Die Freigrenze beträgt für das Jahr 2023 17.543 EUR bzw. 35.086 EUR. Für das Jahr 2024 steigt die Freigrenze weiter auf 18.130 EUR bzw. 36.260 EUR. Damit wird auch die Berechnung des Soli an die Inflation angepasst.
Auch für die kommenden Jahre (VZ 2025 und VZ 2026) sind nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (ehemals JStG 2024 II) erneute Änderungen bzw. Erhöhungen von der Bundesregierung vorgesehen. Mit den Erhöhungen soll ein Ausgleich für die kalte Progession geschaffen werden. Daher wird der Gesetzgeber voraussichtlich über die noch im Herbst 2024 mit dem 15. Existenzminimumbericht und dem 6. Steuerprogressionsbericht 2024 zu erwartenden Ergebnisse hinausgehen (BR-Drucks. 373/24).