Trotz erheblicher Praxisrelevanz hat die Finanzverwaltung das Thema im BMF-Schreiben v. 10.5.2022 nicht aufgegriffen. Finanzgerichtliche Rechtsprechung existiert nicht.
a) Uneinheitliche Behandlung in der Literatur
Die Literatur beurteilt das Thema uneinheitlich:
aa) Bereitstellung von Handelspaaren
Von Teilen der Literatur wird die Bereitstellung von Handelspaaren als Veräußerung von Token angesehen, die nach den allgemeinen Regeln zu besteuern ist. Nach dieser Ansicht stellt bei im Privatvermögen gehaltenen Token der Tausch Handelspaare gegen Liquidity-Token einen steuerlichen Realisationstatbestand i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dar. Beachten Sie: Diese Auffassung liegt auf einer Linie mit dem BFH, der in seiner Grundsatzentscheidung klargestellt hat, dass Tauschvorgänge zwischen virtuellen Währungen eine Veräußerung darstellen können.
Nach anderer Ansicht ist der Eintritt in den Pool nicht als steuerpflichtiges Ereignis zu behandeln, sofern man die Grundsätze der Wertpapierleihe auf das Liquidity Mining analog anwendet. In seiner Entscheidung vom 18.8.2015, der sich die Finanzverwaltung später angeschlossen hat, hat der BFH entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum bei der Wertpapierleihe (ausnahmsweise) beim Darlehensgeber verbleibt.
bb) Laufende Erträge
Je nach Sichtweise wird auch die steuerliche Einordnung der laufenden Erträge unterschiedlich beurteilt:
- Die Vertreter der ersten Ansicht ordnen die laufenden Erträge den sonstigen Einkünften gem. § 22 Nr. 3 EStG zu, soweit die Token im Privatvermögen gehalten werden.
- Soweit man die Grundsätze der Wertpapierleihe für analog anwendbar hält und die Bereitstellung der Handelspaare als partiarisches Darlehen begreift, unterliegen die Liquidity-Mining-Rewards der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG.
cc) Beendigung des Liquidity Mining
Die Beendigung des Liquidity Mining durch Rückgabe des Liquidity Token wird von den Vertretern der ersten Ansicht konsequent als ein der Veräußerung gleichstehendes Tauschgeschäft gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gewertet. Der Gewinn ermittelt sich nach dieser Auffassung durch Gegenüberstellung der Summe der gemeinen Werte der hingegebenen virtuellen Währungen im Zeitpunkt der Hingabe gegenüber der Summe der gemeinen Werte der im Gegenzug erhaltenen Coins bei Rückgabe.
Die Vertreter der Gegenmeinung behandeln den Austritt aus dem Pool – wiederum konsequent – als steuerlich unbeachtliches Ereignis.
b) Sichtweise der Finanzverwaltung und Finanzgerichte = offen
Wie die Finanzverwaltung und Finanzgerichte das Thema behandeln werden, ist offen. Es besteht erhebliche Rechtsunsicherheit.
Beraterhinweis Zur Vermeidung steuerstrafrechtlicher Risiken, sollten Steuerpflichtige und Steuerberater gegenüber dem Finanzamt die steuerliche Behandlung offenlegen.