Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Ausschlußfrist und Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
Leitsatz (amtlich)
Auch Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung werden im Zweifel von einer tarifvertraglichen Ausschlußfrist erfaßt, es sei denn, die Gehaltsüberzahlung erfolgte erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3; TVG § 1; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 14.09.1994; Aktenzeichen 1 Ca 16.273/94) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. September 1994 – 1 Ca 16.273/94 – abgeändert:
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1.362,– netto nebst 4 % Zinsen seit dem 30.11.1993 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Der am 3. Juni 1975 geborene Beklagte war in der Zeit vom 5. April bis zum 31. Juli 1993 im Rahmen eines Aushilfsarbeitsverhältnisses bei der Klägerin tätig. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung fand auf sein Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in den westlichen Verwaltungsbezirken des Landes Berlin in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Im Mai 1993 zahlte die Klägerin an den Beklagten versehentlich Urlaubsgeld in Höhe von 797,40 DM, obwohl ihm diese Sonderzuwendung nicht zustand. Des weiteren erhielt der Beklagte im August 1993 Arbeitsentgelt in Höhe seines bisherigen Monatsverdienstes, was einem Betrage von 1.362,81 DM netto entsprach.
Nachdem die Klägerin im September 1993 die Überzahlung entdeckt und die laufende Lohnzahlung gestoppt hatte, erstellte sie im Oktober 1993 zwei weitere Verdienstabrechnungen zur Feststellung der Nettominussummen in bezug auf das Urlaubsgeld und die Augustzahlung. Sie forderte den Beklagten mit Schreiben vom 25. Oktober 1993 auf, den fraglichen Betrag an sie zurückzuzahlen. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 15. November 1993 unter anderem folgendes: „Bezugnehmend auf Ihr oben angegebenes Schreiben teile ich Ihnen mit, daß ich bis auf weiteres über kein Einkommen verfuge und den geforderten Betrag nicht zurückzahlen kann. Außerdem verstehe ich Ihre Rückforderung von Urlaubsgeld nicht. Sie haben mich nicht von der Tatsache in Kenntnis gesetzt, daß mir kein Urlaubsgeld zusteht. Schließlich war es ein Fehler Ihrerseits. Ebenfalls sandten Sie mir erst zusammen mit dem Schreiben vom 25. Oktober 1993 die Abrechnung für den Monat August 1993 zu, weshalb es mir vorher nicht möglich war zu erkennen, daß es sich hierbei um eine Überzahlung handelte.”
Mit Mahnbescheid des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. März 1994 hat die Klägerin die Rückforderung des Gehaltes für den Monat August 1993 und des Urlaubsgeldes nebst 4 % Zinsen auf die Hauptforderung seit dem 30. November 1993 verlangt. Dagegen hat der Beklagte mit beim Arbeitsgericht Berlin am 18. Mai 1994 eingegangenem Schreiben Widerspruch erhoben.
Unter Klagerücknahme im übrigen hat die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung des an ihn gezahlten „Gehaltes” für den Monat August 1993 in Höhe von 1.362,81 DM nebst Zinsen verlangt und geltend gemacht, daß der fragliche Betrag dem Beklagten nicht zugestanden habe, da das Arbeitsverhältnis bereits zum 31. Juli 1993 beendet worden sei. Sie habe auch die tarifvertragliche Ausschlußfrist des § 15 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in den westlichen Verwaltungsbezirken des Landes Berlin beachtet.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.362,81 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 30. November 1993 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, angesichts des „Abrechnungstohuwabohus” darauf vertraut zu haben, daß es mit den Zahlungen der Klägerin seine Richtigkeit gehabt habe. Er sei zur Rückzahlung des fraglichen Betrages auch deshalb nicht verpflichtet, weil er das Geld ausgegeben habe und insoweit entreichert sei.
Selbst wenn der Klägerin ein entsprechender Anspruch zustünde, so hat der Beklagte ausgeführt, habe die Klägerin jedenfalls die tarifvertragliche Ausschlußfrist nicht beachtet.
Die Klägerin hat erwidert, die Behauptung des Beklagten, für ihn sei nicht ersichtlich gewesen, daß ihm die Augustzahlung nicht zugestanden habe, sei wenig glaubhaft. Wenn er nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein volles Monatsgehalt erhalten habe, habe der Beklagte nicht stillschweigend vom Vorliegen einer Anspruchsberechtigung ausgehen können. Die Klägerin hat bestritten, daß der Beklagte entreichert sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 14. September 1994 verkündetes Urteil hat die Kammer 1 des Arbeitsgerichts Berlin die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 1.362,81 DM festgesetzt. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Gegen das ihren Prozeßbev...