Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkürzung der Arbeitszeit durch Einführung durch Kurzarbeit. Wirksame Betriebsvereinbarung der Betriebsparteien im Hinblick auf das Schriftformgebot des § 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG. Erforderliche Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, der Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie der Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Die Verkürzung der Arbeitszeit durch Einführung durch Kurzarbeit setzt voraus, dass eine wirksame Betriebsvereinbarung der Betriebsparteien vorliegt, die dem Schriftformgebot des § 77 Abs. 2 S. 1 BetrVG genügt. Die Durchführung in Form einer formlosen Regelungsvereinbarung durch wöchentliche Absprachen des Einsatzes der Arbeitnehmer entsprechend einer wöchentlichen Kapazitätsplanung reicht hierfür nicht aus, da diese nicht geeignet ist, unmittelbar in die Arbeitsverhältnisse einzugreifen ((BAG 10.10.2006 AP BPersVG § 75 Nr. 85; BAG 18.10.1994 AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11; BAG 14.02.1991 AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4).
Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Erforderlich sind mindestens die Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit, die Regelung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer (BAG Urt. v. 18.11.2015, 5 AZR 491/14, juris, siehe auch LAG Hamm, Urt. v. 19.11.2014, 4 Sa 1108/14, Rn. 26, juris; Urt. vom 12.06.2014, 11 Sa 1566/13, juris; Urt. v. 01.08.2012, 5 Sa 27/12, ebenso: LAG Baden-Württemberg Urt. v. 25.11.2005, 20 Sa 112/04; Hess. LAG 14.03.1997 NZA-RR 1997,479; ArbG Hagen 09.10.2012, 1 Ca 1420/12).
Normenkette
BUrlG §§ 4, 3; BetrVG § 77 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 03.11.2022; Aktenzeichen 4 Ca 827/22) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 03.11.2022 - 4 Ca 827/22 - wird das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu formuliert:
Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus dem Jahr 2020 ein restlicher Urlaubsanspruch von weiteren 6 Tagen zusteht.
Der Zahlungsantrag der Klägerin wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
Auf den Hilfsantrag der Klägerin wird festgestellt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung für die Tage gem. Ziffer 1) hat.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 33% und die Beklagte zu 67 %.
Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 17% und die Beklagte zu 83%.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob im Betrieb der Beklagten Kurzarbeit wirksam eingeführt wurde und wie sich die kurzarbeitsbedingte Aufhebung der Arbeitspflicht an ganzen Arbeitstagen auf die Berechnung des Urlaubsanspruchs und des Urlaubsgelds der Klägerin aus dem Jahr 2020 auswirkt.
Die Klägerin ist seit dem 18.12.2006 im Rahmen einer 40-Stunden-Woche als Maschinenbedienerin bei der Beklagten beschäftigt. Die zuletzt von ihr erzielte Vergütung betrug 2.556 € brutto monatlich. Der Stundenlohn betrug 14,69 €. Der kalenderjährliche Urlaubsanspruch betrug grundsätzlich 30 Tage.
Zwischen den Parteien ist zweitinstanzlich unstreitig gestellt worden, dass die Auszahlung eines zusätzlich gezahlten Urlaubsgeldes jeweils in Höhe von 50% des zu zahlenden Urlaubsentgeltes jeweils mit der Inanspruchnahme des Urlaubs in natura gezahlt wird.
Am 20.03.2020 wurde zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat der Beklagten eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit beschlossen (vgl. Bl. 9 ff. d.A.).
Im Jahr 2020 war die Klägerin an insgesamt 45 Arbeitstagen zur Kurzarbeit eingeteilt (vgl. Bl. 27 d.A.), von denen sie an 11 Arbeitstagen arbeitsunfähig gewesen ist. Nach Einführung der Kurzarbeit teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Urlaubsanspruch aufgrund der Kurzarbeit gekürzt würde. Der Klägerin wurden im Jahr 2020 19 Urlaubstage gewährt (vgl. Bl. 79 d.A.). 5 Urlaubstage wurden in das folgende Jahr übertragen (vgl. Bl. 79 d.A.).
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr für das Jahr 2020 ein Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen zustehe. Nach Abzug der unstreitig genommenen 19 Tage und der in das neue Jahr übertragenen 5 Tage stehe ihr ein Urlaubsanspruch von weiteren 6 Tagen zu. Der jährliche Urlaubsanspruch des Jahres 2020 dürfe nicht um den Zeitanteil, der von der Kurzarbeit betroffen gewesen ist, gekürzt werden. Weiterhin sei die Betriebsvereinbarung unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Klägerin aus dem Jahr 2020 ein restlicher Urlaubsanspruch von weiteren 6 Tagen zusteht.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für das Jahr 2020 ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 352,56 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, in rechtlich zul...