Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Direktionsrecht. Kellner. Kündigung, fristlose. Trinkgeld. Außerordentliche Kündigung eines Kellners wegen Verstoßes gegen eine Trinkgeldregelung
Leitsatz (amtlich)
Erhält der Kellner vom Gast freiwillig ein Trinkgeld, so steht ihm dieses unmittelbar zu.
Normenkette
BGB § 626; GewO §§ 106-107
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 29.07.2010; Aktenzeichen 2 Ca 438/10) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29. Juli 2010, Az.: 2 Ca 438/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen des Beklagten, die Berechtigung zweier Abmahnungen sowie über die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, bei den Gästen zu kassieren und das Trinkgeld zu behalten.
Der Kläger (geb. am 17.09.1960) ist seit dem 05.11.1992 im Restaurant des Hotels X. als Kellner zu einem Bruttomonatsentgelt von EUR 1.750,00 beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Der Beklagte hat das Hotel am 01.07.2009 im Wege eines Betriebsübergangs übernommen. Er beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.
Der Kläger war bisher berechtigt, bei den Gästen zu kassieren und das Trinkgeld zu behalten. Er erzielte nach seinen Angaben Trinkgelder von nicht unter EUR 500,00 monatlich. Am 21.02.2010 erteilte ihm der Beklagte die Anweisung, dass er ab sofort nicht mehr bei den Gästen kassieren dürfe, sondern nur noch die Geschäftsleitung. Das Trinkgeld solle nunmehr in einem Geldbeutel gesammelt und dann gleichmäßig unter dem Personal aufgeteilt werden. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden. Der Beklagte erteilte ihm wegen Verstößen gegen die neue Regelung am 24.02.2010 und am 25.02.2010 eine schriftliche Abmahnung. Mit Schreiben vom 13.03.2010 und nochmals vom 30.03.2010 kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Zur weiteren Darstellung des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 29.07.2010 (dort Seite 2-5 = Bl. 78-81 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.07.2010 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungen des Beklagten vom 13.03.2010 und vom 30.03.2010 aufgelöst worden ist. Es hat den Beklagten weiterhin verurteilt, die Abmahnungen vom 24.02.2010 und vom 25.02.2010 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Das Arbeitsgericht hat außerdem festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, die von ihm bedienten Gäste selbst abzukassieren und das ihm gegebene Trinkgeld zu behalten.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Beklagte sei nicht berechtigt, dem Kläger das Kassieren zu verbieten, weil er ihm damit die Chance auf ein Trinkgeld nehme. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers sei im Laufe der 17-jährigen Tätigkeit stillschweigend dahingehend eingeschränkt worden, dass der Kläger zum Abkassieren berechtigt sei. Diese Berechtigung sei zum Vertragsinhalt geworden. Der von der Rechtsprechung geforderte schutzwürdige Vertrauenstatbestand liege darin, dass der Kläger 17 Jahre lang die Möglichkeit gehabt habe, Trinkgelder zu vereinnahmen und dementsprechend seinen gesamten Lebensstandard darauf eingerichtet habe. Das Trinkgeld gehöre zwar nicht zum Arbeitsentgelt; gleichwohl habe sich das Arbeitsverhältnis aber dahin konkretisiert, dass der Kläger weiterhin kassieren dürfe. Er müsse sich nicht auf ein neues und zudem sehr vages System einlassen. Es sei ihm nicht zuzumuten, Tag für Tag mit dem übrigen Personal über die Verteilung des Trinkgeldes zu streiten. Die streitgegenständlichen Kündigungen und Abmahnungen seien deshalb unwirksam. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Seite 5 bis 7 des Urteils (= Bl. 81-83 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 05.08.2010 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am Montag, dem 06.09.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 17.09.2010 begründet.
Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Reichweite seines Direktionsrechts verkannt. Allein die Tatsache, dass der Kläger über mehrere Jahre hinweg selbst kassieren und die Trinkgelder habe vereinnahmen dürfen, stelle keinen Umstand dar, der sein Weisungsrecht entgegen der gesetzlichen Regelung in § 106 GewO so einschränke, dass er dem Kläger diese Möglichkeit auf Dauer belassen müsse. Da der zeitliche Aspekt allein nicht ausschlaggebend sei, hätte das Arbeitsgericht prüfen müssen, ob sonstige Umstände vorliegen, die dieses Vertrauen im Kläger hätte wecken können. In der Vergangenheit habe der Kläger die Trinkgelder für sich behalten, während das Küchenpersonal keine Möglichkeit gehabt habe, an den Trinkgeldern zu partizipie...