Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtbetriebsrat. Interessenausgleich. Kündigungsschutz. Wegfall der Geschäftsgrundlage. Zuständigkeit Gesamtbetriebsrat bei Interessenausgleich. Vermutungswirkung des § 125 InsO
Leitsatz (amtlich)
1.) Für den Abschluss eines Interessenausgleiches mit Namensliste i. S. d. § 125 InsO ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, wenn das Unternehmen mit einem unternehmensweiten und unternehmenseinheitlichen Konzept saniert werden soll.
2.) Wird beim Abschluss eines Interessenausgleichs von einem Sanierungskonzept ausgegangen, das die Schließung von 24 von 47 bestehenden Filialen des Arbeitgebers vorsieht, liegt kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor, der eine wesentliche Änderung der Sachlage i. S. d. § 125 InsO darstellen würde, wenn später statt der beabsichtigten 24 letztlich nur 22 Filialen geschlossen werden.
Normenkette
BetrVG § 50; InsO § 125; KSchG § 15
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 10.09.2009; Aktenzeichen 6 Ca 817/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.09.2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens –, 6 Ca 817/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen vom 26.11.2008.
Die Klägerin war seit dem 16.08.1982 bei der Beklagten in deren Filiale in Z. tätig, zuletzt als Abteilungsleiterin im Damenoberbekleidungsbereich und Verkaufsmanagerin mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 3.281,00. Sie war Mitglied des für die Filiale in Z. gebildeten Betriebsrats.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgerichts – H. vom 01.11.2008 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Im Zuge der Sanierungsbemühungen hat die Beklagte zunächst die Schließung von 24 ihrer 47 Filialen und einen Personalabbau von mehr als einem Drittel der ca. 3.700 Arbeitnehmer beschlossen. Hierzu hat sie (mit Zustimmung des gerichtlich bestellten Sachwalters der Gläubiger) am 17.11.2008 mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich vereinbart, der die persönlichen Daten der Arbeitnehmer sowie entsprechende Namenslisten gem. § 125 InsO beinhaltet. Unter den dort aufgeführten, von der Kündigung betroffenen Mitarbeitern, ist auch die Klägerin.
Mit Schreiben vom 26.11.2008, das der Klägerin am selben Tag übergeben wurde und zudem auch als Einwurfeinschreiben am 28.11.2008 zuging, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 28.02.2009 gekündigt.
Am 11.12.2008 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat mit Zustimmung des gerichtlich bestellten Sachwalters einen Nachtrag zum Interesseausgleich, wonach zwei Filialen (X. und Y.) nicht geschlossen, sondern dort nur Personalmaßnahmen entsprechend dem Sanierungskonzept für Bestandsfilialen durchgeführt werden sollen.
Die Filiale in Z. wurde entsprechend dem Interessenausgleich zum 28.02.2009 geschlossen.
Die Klägerin hat vorgetragen,
die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Vermutungswirkung nach § 125 InsO greife nicht ein. Der Interessenausgleich mit Namensliste sei unwirksam, weil nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern die einzelnen Betriebsräte in den Filialen zuständig gewesen wären. Zudem sei die Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs weggefallen, da nachträglich zwei Filialen doch nicht geschlossen worden seien.
Die erforderliche Sozialauswahl sei nicht oder nur fehlerhaft durchgeführt worden und die erforderliche Betriebsratsbeteiligung sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Weiterhin sei ihr Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG nicht beachtet worden. Zudem hätte für die Klägerin eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einer anderen Filiale, z. B. in T., bestanden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die beiden ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 26.11.2008, zugegangen am 26.11.2008, und am 28.11.2008, nicht mit Ablauf des 28.02.2009 beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
die Kündigung sei nach Insolvenzeröffnung aus betriebsbedingten Gründen entsprechend der im Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung und Namensliste nach § 125 InsO sowie unter Berücksichtigung der Kündigungsbefugnis und -frist gem. § 113 InsO erfolgt.
Nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG sei der Gesamtbetriebsrat für die Vereinbarung des Interessenausgleichs und des Nachtrags zum Interessenausgleich zuständig gewesen. Es gelte daher die Vermutungswirkung zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen der Kündigung, der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten und der Sozialauswahl.
Die Filiale Z. stelle einen eigenständigen Betrieb dar. Aufgrund der Schließung dieses Betriebes zum 28.02.2009 und der Kündigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse der in diese...