rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbegriff. Filialunternehmen. Namensliste. KSchG. InsO. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Filiale eines Filialunternehmens stellt einen eigenständigen Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne dar, wenn der Geschäftsleiter der Filiale die Entscheidung über Einstellung, Abmahnungen und Kündigungen selber trifft und umsetzt. Eine Rücksprache mit der Personalabteilung der örtlich weit entfernten Zentrale ist dann unerheblich, wenn dadurch die o. g. Entscheidungsbefugnis des Geschäftsleiters nicht berührt wird.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 3, 15; InsO § 125

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 02.07.2009; Aktenzeichen 2 Ca 3092/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 02. 07. 2009 – 2 Ca 3092/08 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten sich über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten, ordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung vom 26. 11. 2008.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01. 07. 1991 als Hausmeisterassistent und seit dem 28. 09. 2005 als Mitarbeiter der Servicekasse mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.441,– EUR bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Er ist am … geboren, verheiratet und keinen Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Derzeit befindet sich der Kläger in einem Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten und arbeitet in der Filiale in D.. Nach § 2 S. 1 des Arbeitsvertrages kann die Beklagte den Kläger auch in eine andere Betriebsabteilung oder Betriebsstätte versetzen, Bl. 5 d. A..

Die Beklagte ist ein Filialunternehmen aus der Modebranche. Sie verkauft in diversen Filialen bundesweit Bekleidung an Endverbraucher. Der Einkauf der in den Filialen zu verkaufenden Bekleidung erfolgt durch die Zentrale der Beklagten in H.. Dort befindet sich auch die Lohnbuchhaltung und die Personalabteilung.

Am 07. 08. 2008 wurde Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten gestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichtes H. vom 07. 08. 2009 wurde Rechtsanwalt P. zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Arbeitgeberfunktion bestellt. Seit dem 01. 11. 2008 befand sich die Beklagte nach Eröffnung durch das Amtsgericht H. in einem Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren wurde in Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO geführt. Sachwalter der Gläubiger ist ebenfalls Rechtsanwalt P.. Zwischenzeitlich wurde das Insolvenzverfahren abgeschlossen. Eines der Filialgeschäfte der Beklagten befindet sich in G. im dortigen Einkaufspark. Hier war der Kläger beschäftigt, der seit dem 04. 11. 2008 in den für diese Filiale gewählten Betriebsrat nachrückte. Ob es sich bei diesem Geschäft in G. um einen eigenständigen Betrieb handelt, steht zwischen den Parteien im Streit.

Die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di schlossen unter dem 08. 04. 2008 einen so genannten Anschlusstarifvertrag (SanierungsTV) zum Tarifvertrag zur Sanierung und zur Beschäftigungssicherung vom 19. 03. 2006, vgl. Bl. 96 ff. d. A.. In diesem Tarifvertrag, der bundesweit für alle S. Betriebsstätten gilt (vgl. § 1 Abs. 1 des SanierungsTV), heißt es u. a.:

„§ 8 Beschäftigungssicherung

(1) Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen ist ab dem 01. 01. 2008 – 31. 12.

2009 unzulässig.

Treten Umstände ein, die eine Schließung einer der in der Anlage 1 aufgeführten Standorte nötig machen, um das Unternehmen vor erheblichen zusätzlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewahren, werden die Tarifvertragsparteien unter Mitwirkung des GBR darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Ausnahmen vom Kündigungsverbot zuzulassen sind. Vorher sind jedoch andere Möglichkeiten materieller Entlassung zu prüfen und zu nutzen.

§ 9 Standortsicherung

(1) Die in der Anlage 2 aufgeführten Betriebsstätten werden bis zum 31. 12. 2009 nicht geschlossen noch werden sie veräußert.

(2) …”

In der Anlage 2 zum SanierungsTV ist die Filiale in G. erwähnt. Die Filiale in G. befindet sich im N. Einkaufspark. In der Anlage 1 zum SanierungsTV vom 08. 04. 2008 wird die Filiale in G. nicht erwähnt. Der SanierungsTV wurde durch die Beklagte mit am 28. 11. 2008 bei ver.di eingegangenem Schreiben gekündigt. Hierauf teilte ver.di den Beschäftigten mit Rundschreiben vom 04. 12. 2008 mit, dass die Kündigung erst zum 31. 05. 2009 Wirkung entfalte (Bl. 105 d. A.).

Am 16. 11. 2008 schlossen der Gesamtbetriebsrat der Beklagten mit Zustimmung des Sachwalters der Gläubiger und die Beklagte eine Betriebsvereinbarung über eine Auswahlrichtlinie gemäß § 95 BetrVG, vgl. Bl. 71 ff. d. A.. Unter anderem heißt es in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung (vgl. Bl. 72 d. A.):

„§ 4 Grundsätze der Sozialauswahl

1. Betriebsbezogenheit

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Sozialauswahl betriebsbezogen i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes durchzuführen ist.

Eigenständige Betriebe des Unternehmens i. S. d. KSchG stell...

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