Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung. außerdienstliches Verhalten. Tätlichkeit. Arbeitskollegin. Ehefrau. Fristlose Kündigung: Tätlichkeit unter Arbeitskollegen außerhalb der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen oder Arbeitskollegin (hier: Messerattacke) ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn die Tätlichkeit außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Betriebs erfolgte und ausschließlich familiär bedingt war. Eine Tätlichkeit unter Arbeitskollegen außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Betriebs hat immer auch innerbetriebliche Auswirkungen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 27.06.2008; Aktenzeichen 4 Ca 740/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.06.2008, Az. 4 Ca 740/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlos, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen Kündigung.
Der 40-jährige Kläger ist zwischenzeitlich geschieden und 2 Kindern (3 und 14 Jahre alt) zum Unterhalt verpflichtet. Er ist bei der Beklagten seit dem 22.11.2001 als Tabakarbeiter zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von EUR 2.067,00 beschäftigt.
Am Freitag, den 30. November 2007, hatte der Kläger dienstfrei. Seine damals bereits seit zwei Jahren von ihm getrennt lebende und mittlerweile geschiedene Ehefrau rief ihn vormittags von der Arbeit aus an und teilte ihm mit, dass er mit dem erkrankten dreijährigen Sohn zum Arzt fahren müsse. Nach dem Arztbesuch rief der Kläger Frau K. an ihrer Arbeitsstelle an und forderte diese auf, nach Hause zu kommen, um sich um den Sohn zu kümmern. Frau K. lehnte dies unter Hinweis auf ihre Arbeitsverpflichtung ab, woraufhin der Kläger wütend auf die Beklagte als Arbeitgeberin wurde, weil diese Frau K. nicht frei gegeben hatte.
Am folgenden Samstagabend, den 01.12.2007, nahm Frau K. an einer gemeinsamen Weihnachtsfeier ihrer Produktionsschicht in einem griechischen Restaurant teil. Hiervon hatte der Kläger im Betrieb der Beklagten Kenntnis erlangt, was ihn angesichts des erkrankten Kindes aufregte. Er selbst hatte an dem besagten Samstag Spätschicht bis 22.00 Uhr. Nach Schichtende fuhr er zur Wohnung seiner geschiedenen Frau, seine 14-jährige Tochter ließ ihn aber nicht rein. Er versuchte vergeblich danach mehrfach Frau K. auf dem Handy zu erreichen. Schließlich fuhr er in die T.str. in L., da er vermutete, dass Frau K. sich dort im Anschluss an die Weihnachtsfeier einfinden würde, um ihre Freundin von der Weihnachtsfeier nach Hause zu fahren. Dabei führte der Kläger ein Küchenmesser bei sich, das er nach eigener Einlassung gegenüber den Polizeibeamten der Polizeistation K. mitgenommen hatte, um hiermit Frau K. bei deren Eintreffen in der T.str. nach der Weihnachtsfeier zu bedrohen und dieser Angst einzujagen (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung, Bl. 24 ff. d. A.). Als Frau K. erwartungsgemäß gegen zwei Uhr nachts in der T.str. eintraf, lauerte ihr der Kläger auf und begann sie zu beschimpfen. Er zog sie an den Haaren und stach schließlich mit dem von ihm mitgeführten Küchenmesser mehrfach auf Frau K. in Höhe der Schulter ein. Die zur Hilfe gerufene Polizei nahm den Kläger, der Frau K. weiterhin in äußerst aggressiver Haltung in türkischer Sprache beschimpfte, in Handschellen fest. Frau K. wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Sie erlitt u. a. eine ca. 2 cm lange Schnittwunde, die bis zum Knochen des Schulterblattes reichte. Nach Auskunft des behandelnden Arztes wäre diese Schnittverletzung noch erheblich schwerer gewesen, wenn das Schulterblatt nicht im Wege gewesen wäre. Es hätte dann zu einer Verletzung der Lunge kommen können. Frau K. erlitt im Bereich der Wirbelsäule drei weitere Schnittverletzungen. Zudem hatte Frau K. Hämatome im Bereich der Wirbelsäule, die auf Schläge oder Tritte hindeuteten. Frau K. ist seit dem tätlichen Angriff des Klägers arbeitsunfähig krank. Sie hatte während der Messerattacke des Klägers Todesangst und hat auch weiterhin große Angst vor dem Kläger, insbesondere fürchtet sie weitere Angriffe des Klägers ihr gegenüber kommen werde.
Die Beklagte erhielt zunächst nur vom Hören-Sagen davon Kenntnis, dass es zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau nach der Weihnachtsfeier zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Dazu von der Beklagten befragt verweigerte der Kläger jegliche Angaben zum Sachverhalt. Ebenso wenig wollte sich die Ehefrau des Klägers zu dem Vorfall äußern. Auch die Polizei verweigerte gegenüber der Beklagten jegliche Auskünfte. Daraufhin stellte die Beklagte den Kläger zunächst ab dem 13.12.2007 von der weiteren Arbeitsverpflichtung unter Fortzahlung der Vergütung frei und bemühte sich um weitere Aufklärung des Sachverhalts. Mit Schreiben vom 12.02.2008 erhielt die Beklagte schließlich vom Rechtsanwalt der Frau...