Leitsatz
Die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fällt, wird auch insoweit i.S.d. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 "in der Schweiz ausgeübt", als sie tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet wird (Bestätigung des Senatsurteils vom 25.10.2006, I R 81/04, BFH/NV 2007, 593, BFH/PR 2007, 160).
Normenkette
Art. 4 Abs. 2, Art. 15 Abs. 4, Art. 15a Abs. 2 S. 2, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992
Sachverhalt
Der Kläger war Geschäftsführer einer Schweizer AG mit Sitz in der Schweiz. Er wohnte mit seiner Familie in Baden-Württemberg. Gleichzeitig unterhielt er eine Wohnung in der Schweiz. Der Kläger wurde in den Streitjahren 1999 und 2000 mit seinen gesamten Einkünften aus der Tätigkeit als Geschäftsführer in der Schweiz besteuert.
Von insgesamt 250 Arbeitstagen wies er in den Streitjahren jeweils 80 Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 S. 2 DBA-Schweiz 1992 aus, die auf Dienstreisen in Drittstaaten entfielen.
Das FA bezog die Einkünfte des Klägers aus nicht selbstständiger Arbeit als Geschäftsführer mit dem auf die Tätigkeit in Drittstaaten entfallenden Anteil in die Bemessungsgrundlage der ESt ein.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 01.04.2008, 11 K 138/05 (Haufe-Index 2092847, EFG 2009, 385) statt.
Entscheidung
Der BFH hat das und damit zugleich seine bisherige Rechtsprechung voll und ganz bestätigt.
Hinweis
Das Urteil steht in Zusammenhang mit der sog. Grenzgängerbesteuerung, zu der allgemein auf das Urteil vom 11.11.2009, I R 15/09 (in diesem Heft auf S. 191) zu verweisen ist. Von den einschlägigen Fragen geht es hier konkret um die Besteuerung leitender Angestellter:
1. Leitende Angestellte (Vorstandsmitglieder, Direktoren, Geschäftsführer oder Prokuristen) von Schweizer Kapitalgesellschaften bevorzugen es aus naheliegenden Gründen, auch dann der deutlich geringeren kantonalen Steuerbelastung mit ihren (oftmals hohen) Einkünften unterworfen zu werden, wenn sie in Deutschland wohnen.
Dieser Wunsch erscheint verständlich, ebenso wie es verständlich ist, dass die deutsche Finanzverwaltung sich den Steuerzugriff gerne sichern möchte. Der BFH hatte solchen fiskalischen Ansinnen bislang aber wiederholt einen Riegel vorgeschoben. Dabei ist es verblieben:
2. Die Einkünfte jenes Personenkreises sind gem. Art. 15 Abs. 4 S. 1 DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz zu besteuern, es sei denn:
- der Angestellte ist Grenzgänger i.S.v. Art. 15a DBA-Schweiz 1992;
- seine Tätigkeit ist der Sache nach so abgegrenzt, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst, oder
- die Schweiz besteuert die Einkünfte (wie auch immer) tatsächlich nicht.
Greift aber keine dieser drei Ausnahmen, so wird die Tätigkeit des in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für die schweizerische Kapitalgesellschaft i.S.d. Art. 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992, der die Steuerfreistellung in Deutschland bestimmt, "in der Schweiz ausgeübt". Das gilt unabhängig davon, wo der Angestellte sich "physisch" aufhält, also auch dann, wenn er seine Arbeit tatsächlich überwiegend außerhalb der Schweiz verrichtet. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält für seinen Anwendungsbereich nämlich die abschließende Fiktion des Tätigkeitsorts – und dieser Ort befindet sich unter den gegebenen Umständen eben in der Schweiz.
3. Dieses Abkommensverständnis ist sicher nicht über jeden Zweifel erhaben. Die besseren Gründe sprachen aus Sicht des BFH aber schon in der Vergangenheit für die beschriebene Auslegung, und dabei hat er es nun belassen.
Im Einzelnen kann auf die Hinweise zu dem zitierten Urteil vom 25.10.2006, I R 81/04 (BFH/NV 2007, 593, BFH/PR 2007, 160) verwiesen werden.
4. Für andere einschlägige DBA, die Deutschland abgeschlossen hat, ist das alles ganz überwiegend nicht maßgeblich. Diese DBA sind anderen Inhalts: Sie bestimmen i.d.R. das Arbeitsortprinzip des Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen auch für Kapitalgesellschafts-Organe.
Und auch für die beschränkte Steuerpflicht hat der Gesetzgeber demgegenüber in umgekehrter Richtung "vorgesorgt":
In § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG ist festgelegt, dass die Vergütung, die für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bezogen wird, als inländische Einkünfte im Inland zu besteuern sind, und zwar unabhängig von dem tatsächlichen physischen Aufenthaltsort des betreffenden leitenden Angestellten.
5. Auf Basis der Arbeitsortfiktion in der Schweiz schadet es jedenfalls nicht, wenn der betreffende leitende Angestellte außerhalb der Schweiz Dienstreisen unternimmt (s. dazu in diesem Heft auf S. 191). Auch solche Dienstreise-Arbeitstage sind der Schweiz zuzuordnen; sie "machen" den leitenden Angestellten nicht zum sog. Grenzgänger; Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz geht insofern Art. 15a DBA-Schweiz vor.
6. Schließlich: Gleichermaßen verhält es sich im Rahmen der sog....