a) Zielsetzung der Vorschrift

 

Rn. 115

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Die Vorschrift des § 17 Abs 1 S 4 EStG nF erweitert die StPfl nach den vorherigen Sätzen: Ein StPfl, der selbst nicht die Beteiligungsgrenze von 1 % erreicht, ist dennoch nach § 17 Abs 1 S 4 EStG mit der Veräußerung eines Anteils an einer KapGes stpfl, wenn er

  • den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und
  • sein Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre maßgeblich beteiligt war bzw bei mehrmaliger unentgeltlicher Übertragung des Anteils einer der Rechtsvorgänger in den letzten fünf Jahren an der Gesellschaft wesentlich beteiligt war.

Diese Vorschrift diente ursprünglich der Missbrauchsverhinderung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns zu umgehen (BFH vom 12.07.1988, IX R 149/83, BStBl II 1988, 942). Ein StPfl, der eine wesentliche Beteiligung besitzt, konnte sonst diese Beteiligung aufteilen und sie insoweit auf seine Angehörigen oder sonstige ihm nahestehende Personen unentgeltlich übertragen, dass jede dieser Personen nur noch eine nicht wesentliche Beteiligung hat, deren Veräußerung dann nicht mehr stpfl sein würde. Seit 2009 führt eine solche Gestaltung jedoch unabhängig von § 17 Abs 1 S 4 EStG nicht zu einer Steuerfreiheit, da § 20 Abs 2 EStG Anteilsveräußerungen unter 1 % erfasst und § 20 Abs 4 S 6 EStG den Einzelrechtsnachfolger bei einem unentgeltlichen Erwerb zum StPfl macht, wenn er die Anteile veräußert (Schneider in K/S/M, § 17 EStG Rz B 172).

b) Unentgeltlicher Erwerb

 

Rn. 116

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Unentgeltlicher Erwerb ist der Erwerb von Todes wegen (zB durch Erbanfall oder Vermächtnis) oder die Schenkung unter Lebenden (zB durch vorweggenommene Erbfolge).

Erforderlich ist ein Rechtsträgerwechsel ohne Gegenleistung (BFH vom 25.02.2009, IX R 26/08, BStBl II 2009, 658).

c) Teilentgeltlicher Erwerb

 

Rn. 117

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Teilentgeltlicher Erwerb liegt zB bei einer gemischten Schenkung vor oder beim Anteilserwerb im Rahmen einer Kapitalerhöhung, wenn der Gesellschafter eine Einlage leistet, die niedriger ist als der Wert der jungen Aktien.

Beim teilentgeltlichen Erwerb sind die Anteile in einen entgeltlich und in einen unentgeltlich erworbenen Teil aufzuteilen. Nur der unentgeltlich erworbene Anteil unterliegt dann § 17 Abs 1 S 4 EStG (BFH vom 17.07.1980, IV R 15/76, BStBl II 1981, 11; Levedag in Schmidt, § 17 Rz 98ff (42. Aufl)). Veräußert der Erwerber die Anteile anschließend teilweise weiter, kann er bestimmen, ob es sich um entgeltlich oder unentgeltlich erworbene Anteile handelt (Bsp nach Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz 156 (August 2018)).

 

Beispiel:

Der mit 1,5 % an einer GmbH beteiligte V verkauft an seinen Sohn S einen Geschäftsanteil von 0,9 % des Gesellschaftskapitals. Obwohl der Wert des verkauften Anteils EUR 90 000 beträgt, wird der Kaufpreis nur auf EUR 60 000 bemessen (= 2/3 des Verkehrswertes).

Lösung:

S hat nun einen Geschäftsanteil von 0,6 % entgeltlich und einen Geschäftsanteil von 0,3 % unentgeltlich erworben. Mit dem 0,6 %-Anteil unterliegt S nicht der StPfl nach § 17 EStG, da er insgesamt unter 1 % beteiligt ist. Im Fall der Weiterveräußerung innerhalb von fünf Jahren greift hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen 0,3 %-Geschäftsanteils § 17 Abs 1 S 4 EStG und somit eine entsprechende Anwendung von § 17 Abs 1 S 1 EStG.

Veräußert S nun eine Beteiligung von 0,6 % innerhalb der Fünfjahresfrist, ist der Veräußerungsgewinn nicht nach § 17 Abs 1 S 4 EStG zu besteuern, wenn S die veräußerten Anteile seinem entgeltlich erworbenen Geschäftsanteil zuordnet; eine Besteuerung des entgeltlich erworbenen Geschäftsanteils nach § 17 Abs 1 S 1 EStG entfällt, da insgesamt keine maßgebliche Beteiligung bei S vorliegt.

d) Gestaltungen

 

Rn. 118

Stand: EL 167 – ET: 09/2023

Nach der Ansicht von Pung können Einzelgeschäfte steuerlich gemäß § 42 AO zu einem einheitlichen Geschäft zusammengefasst werden, wenn ein wirtschaftlich einheitliches Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft in mehrere Teilgeschäfte zerlegt wird, um die stpfl Veräußerung einer nach § 17 EStG steuerverhafteten Beteiligung zu vermeiden (Pung, in D/P/M, § 17 EStG Rz 202).

Die Tatsache, dass der Gesellschafter seine zunächst steuerverhaftete Beteiligung durch eine Teilveräußerung auf eine nicht nach § 17 EStG steuerverhaftete Beteiligung absenkt und die verbleibende Beteiligung von unter 1 % nach Abwarten der Fünfjahresfrist steuerfrei veräußert, dürfte keine Umgehung iSd § 42 AO sein (FG Köln vom 09.06.1999, EFG 1999, 128; glA Pung in D/P/M, § 17 EStG Rz 202; Vogt, DStR 1999, 1596, 1600).

Dies gilt auch bei der Aufteilung einer zunächst steuerverhafteten Beteiligung iSd § 17 EStG durch Schenkung, wenn die Beschenkten danach die Beteiligung außerhalb der Fünfjahresfrist veräußern. Nach Ansicht des BFH ist eine Veräußerung zwischen Ehegatten nach § 42 AO nicht anzuerkennen, wenn eine Weiterveräußerung von vornherein geplant war und die Übertragung lediglich der Vermeidung eines späteren stpfl Veräußerungsgewinns § 17 Abs 1 EStG diente (BFH vom 14.06.2005, VIII R 37/03, BFH/NV 2005, 2161).

S Rn 41

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