Markus Fahsel, Maik Bergan
Rn. 6
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Die Regelung ermöglicht die vorläufige Nichtbesteuerung (Steuerpause) des Arbeitslohns im Falle der durch den ArbG vergünstigten Übertragung von Vermögensbeteiligungen an den ArbN. Dabei besteht (bereits) nach der Übertragung die Verpflichtung des Betriebsstätten-FA, den Vorteil im Rahmen einer Anrufungsauskunft zu bestätigen. Grundlage ist der gemeine Wert der Vermögensbeteiligung. Die Steuerpause erfolgt ausschließlich iRd LSt-Abzugsverfahrens.
Rn. 7
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Die Besteuerung als Arbeitslohn wird nachgeholt: entweder spätestens 15 Jahre (ursprünglich nach FoStoG 12 Jahre) nach der Übertragung an den ArbN, sofern dieser die Vermögensbeteiligung nicht vorher überträgt oder sein Dienstverhältnis vorher beendet wird (Grundsatz), oder unter weiteren Voraussetzungen zum Zeitpunkt der späteren Übertragung, womit faktisch eine massive Verlängerung der Haltefrist einhergehen kann (s Bergan/Fahsel, NWB 2023, 3453, 3459).
Die spätere Besteuerung kann im Einzelfall durch Anwendung der sog Fünftelungsregelung erneut begünstigt sein; im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses besteht für den ArbN im Ergebnis sogar die Möglichkeit der abschließenden Steuerentlastung des ursprünglich vergünstigten Erwerbes. Zudem werden zwischenzeitliche Wertverluste steuerlich berücksichtigt und Rückübertragungen steuerlich begünstigt.
Beispiel:
ArbN A erhält von den Gründern einer in 2020 gegründeten Startup-Gesellschaft im Jahr 2024 unentgeltlich nach § 19a EStG begünstigte Anteile mit einem Wert von EUR 10 000 als zusätzlichen Arbeitslohn übertragen. A stimmt der vorläufigen Nichtbesteuerung nach § 19a Abs 1 EStG zu (§ 19a Abs 2 S 1 EStG), so dass diese zunächst unterbleibt.
A hält die Anteile auch im Jahr 2039 noch. Sie haben mittlerweile einen Wert von EUR 50 000. A geht schließlich in 2050 in Rente und veräußert die Anteile zu diesem Zeitpunkt für EUR 75 000.
Lösung:
Da im Jahr 2039 die 15-Jahres-Frist abgelaufen ist, hat grundsätzlich die Nachholung der Besteuerung des Arbeitslohns zu erfolgen. Besteuert wird der Vorteil iHv EUR 10 000 (und nicht die zwischenzeitliche Wertsteigerung; zur Berücksichtigung von Wertverlusten s Rn 127a). Erklärt der ArbG unwiderruflich für die betreffende LSt zu haften, wird die Nachholung der Besteuerung weiter hinausgeschoben (zur Form und Frist der Erklärung des ArbG s Rn 121a). Die Nachholung der Besteuerung findet dann erst im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile, im Beispiel in 2050, statt.
Ob der ArbG die Erklärung abgibt, liegt in seiner Entscheidungsfreiheit. Im Falle der Erklärung verschafft er dem ArbN einen weiteren "Steueraufschub". Im Beispiel kann es darüber hinaus bei geringeren Einkünften im Rentenalter zu einer geringeren Steuerbelastung kommen, was zugegebenermaßen regelmäßig nur schwer vorhersehbar sein wird. Der ArbG setzt sich mit der Erklärung auf der anderen Seite einem erhöhten Haftungsrisiko gegenüber dem FA aus (da keine Ermessensprüfung mehr s Rn 121a) und muss den Steuerbetrag – auch zur Vermeidung eines weiteren geldwerten Vorteils (§ 19a Abs 4 Nr 3 S 2 EStG findet hier keine Anwendung, s Rn 115) – unter Umständen von seinem (ggf ehemaligen) ArbN eintreiben.
Die Wertsteigerung (EUR 65 000) ist iRd §§ 17 bzw 20 EStG zu berücksichtigen.
Rn. 8
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Mit der Regelung in § 19a EStG soll nach Aussage des Gesetzgebers kein Systemwechsel in Bezug auf die Einkunftsart einhergehen, vielmehr wird auf die allg Grundsätze verwiesen (BT-Drs 19/27631, 109). Damit setzt § 19a EStG das Vorliegen von Arbeitslohn voraus (Fahsel/Bergan, FR 2021, 729, 731); für die hierfür notwendige Veranlassung durch das Dienstverhältnis stellt die vergünstigte Übertragung ein wichtiges Indiz dar (ua BFH v 04.10.2016, IX R 43/15, BStBl II 2017, 790; BFH v 01.12.2020, VIII R 40/18, BFHE 271, 493), sodass der hieraus resultierende Vorteil regelmäßig – wenn auch nicht zwingend – Arbeitslohn sein dürfte.
Rn. 9
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Der Regelungscharakter bereitet gewisse Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass die Steuerpause iRd Steuerschuldverhältnisses den materiellen Steueranspruch – trotz Zuflusses – ausschließt, was in der Folge auf den LSt-Abzug (keine eigene Steuerart, ua BFH v 14.11.2013, VI R 49/12, BFHE 243, 524) durchgreift. Hierauf deutet der Wortlaut (§ 19 Abs 4 S 1 EStG: "unterliegt erst dann der Besteuerung nach § 19 EStG und dem LSt-Abzug"), Möllmann/Zantopp, DStR 2020, 2817, 2819; Hamacher/Jeuckens, NWB 2021, 967, 967, die jeweils von einer gesetzlichen Fiktion der Nichtsteuerbarkeit ausgehen). Im Rahmen seines Anwendungsbereiches modifiziert § 19a EStG somit den gesetzlichen Tatbestand (§ 38 AO) hinsichtlich des Besteuerungszeitpunktes um (Westermann in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, § 19a EStG Rz 1 (01/2024)).
Dieser Ansatz ist nicht frei von Zweifeln. So erscheint es nicht konsequent, am materiellen Steueranspruch anzusetzen, dessen Umsetzung dann jedoch nur auf das LSt-Abzugsverfahren zu beschränk...