Rn. 436
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Der Begriff "veräußerungsähnliche Vorgänge" wurde von der Rspr geschaffen, um auch Vorgänge dem steuerfreien Bereich zuordnen zu können, denen keine Vermögensübertragung zugrunde liegt, bei denen aber eine Umschichtung des Vermögens durch "Substanzverlust" bzw "Substanzaufgabe" gegeben ist, die einem Dritten zugute kommt und der dafür ein Entgelt zahlt. Im Gegensatz zu Wertverlusten im Rahmen von Nutzungsverhältnissen, die der Besteuerung unterliegen, sind derartige Wertverluste dem nicht steuerbaren Vermögensbereich zuzuordnen. Ein solches, nicht von § 22 Nr 3 S 1 EStG erfasstes Entgelt ist nach der Rspr dann zu bejahen, wenn es im Einzelfall bei wirtschaftlicher Betrachtung "dem Normalbild des Ausgleichs für eine Minderung des Vermögenswerts in seiner Substanz entspricht" (BFH BStBl II 1977, 27 zu Abfindungen, die der Mieter einer Wohnung für Einschränkungen seiner Mieterposition erhält).
Rn. 437
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Hierunter fällt beispielsweise der Fall der vorzeitigen Aufgabe der Rechte aus einem Mietvertrag gegen Zahlung eines Entgelts. Das durch den Mietvertrag begründete Besitzrecht des Mieters ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die durch die Abfindungszahlung abgegolten wird. Dementsprechend handelt es sich um eine nicht steuerbare veräußerungsähnliche Vermögensumschichtung. Unerheblich ist dabei, ob eine solche Abfindung nach bürgerlichem Recht zulässig ist oder nicht. Steuerlich maßgeblich ist allein die tatsächliche Zahlung (BFH BFH/NV 2000, 423). Als veräußerungsähnlicher Vorgang nicht steuerbar ist ein entgeltlicher Verzicht auf ein Wohnnutzungsrecht auch dann, wenn dieses im Bebauungsplan öffentlich-rechtlich abgesichert ist (FG Mchn EFG 2007, 1603).
Rn. 438
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Nicht steuerbar nach § 22 Nr 3 S 1 EStG ist auch der entgeltliche Verzicht auf einen dinglichen Vorbehaltsnießbrauch oder der Verzicht auf ein testamentarisch vermachtes obligatorisches Wohnrecht gegen ein wirtschaftlich gleichwertiges Entgelt im Privatbereich. In diesen Fällen handelt es sich um veräußerungsähnliche Vermögensumschichtungen, was auch dann anzunehmen ist, wenn das Entgelt ratenweise gezahlt wird (BFH BStBl 1996, 663; 1990, 1026). S Rn 510 "Verzicht auf Rechtsposition".
Ebenso handelt es sich bei einem entgeltlichen Verzicht auf einen künftigen Erb- und Pflichtteil durch einen erbrechtlichen Verfügungsvertrag um einen nicht steuerbaren veräußerungsähnlichen Vorgang (BFH BStBl II 2000, 82). S Rn 510 "Erb- und Pflichtteilsverzicht".
Rn. 439
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Um einen Fall der endgültigen Aufgabe eines Vermögenswerts in seiner Substanz handelt es sich ferner, wenn ein StPfl auf ein dingliches Recht (Grunddienstbarkeit) am Nachbargrundstück verzichtet, welches ihm die Möglichkeit einräumt, eine bestimmte, sein Grundstück beeinträchtigende Bebauung zu verhindern. Insoweit handelt es sich um eine vom Eigentum am eigenen Grundstück getrennte vermögenswerte Rechtsposition. Die für die endgültige Aufgabe dieser Rechtsposition bezahlte Vergütung bleibt steuerfrei (BFH BStBl II 2001, 391). S Rn 510 "Grunddienstbarkeit am Nachbargrundstück".
Ebenso handelt es sich um eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung bzw einen veräußerungsähnlichen Vorgang, wenn ein StPfl auf einen aus einem Aktienkaufvertrag resultierenden Anspruch auf dingliche Übertragung der Aktien gegen Entgelt verzichtet. Aufgrund der Verzichtserklärung wird eine aus dem ursprünglichen Kaufvertrag resultierende, einen eigenständigen Vermögenswert bildende Rechtsposition in ihrer Substanz endgültig aufgegeben (BFH BStBl II 2013, 578).
Rn. 440
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Grds zieht zwar die Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit nicht einen endgültigen Rechtsverlust im Vermögensbereich nach sich und ist deshalb der Veräußerung eines Grundstücks nicht gleichzustellen (BFH BStBl II 1977, 796), gleichgültig, ob die Dienstbarkeit zeitlich begrenzt ist oder nicht (vgl BFH BStBl II 1965, 361; 1969, 180 zu zeitlich unbegrenzt bestellter Dienstbarkeit an einem Seegrundstück; BFH BFH/NV 1997, 336 zu auf Dauer bestellter öffentliche Baulast zum Zwecke der Verlegung eines Kanals). Zu bedenken ist aber, dass eine nach § 22 Nr 3 EStG steuerbare Vermögensnutzung prinzipiell eine zeitliche Begrenzung voraussetzt (vgl BFH BStBl II 1986, 340). Sofern deshalb im Einzelfall ein Verzicht des Berechtigten auf die Dienstbarkeit oder eine einvernehmliche Aufhebung auf Dauer ausgeschlossen sein sollte, kann die Grenze von Nutzungs- zum Vermögensbereich bzw zur Nichtsteuerbarkeit überschritten sein (vgl BFH BStBl II 1976, 62).
Dies wurde beispielsweise für den Fall angenommen, dass ein Eigentümer sein Grundstück auf Dauer mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in der Weise belastet, dass er der Kommune das unwiderrufliche und immerwährende Recht einräumt, das Grundstück in einer bestimmten Fläche und Tiefe zum Zwecke des Betriebs einer U-Bahn zu bebauen und zu unterfahren. In diesem Falle geht das wirts...