Rn. 154
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die aufgrund der Meldung der anderen Person in der Wohnung des StPfl bestehende gesetzliche Vermutung der Haushaltsgemeinschaft ist nur in bestimmten Fällen widerlegbar, in anderen Fällen handelt es sich dagegen um eine nicht widerlegbare gesetzliche Vermutung.
Bei eheähnlichen und lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften (ausführlich dazu s Rn 11) ist die gesetzliche Vermutung, dass eine Haushaltsgemeinschaft besteht, nicht widerlegbar. Könnte der in eheähnlicher Gemeinschaft mit einer anderen Person lebende StPfl den Nachweis führen, dass keine Haushaltsgemeinschaft besteht, läge darin ein Verstoß gegen das Verbot der Schlechterstellung von Eheleuten (BVerfG vom 10.11.1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216, 232ff); Selder in Brandis/Heuermann, § 24b EStG Rz 18 (Februar 2023).
Rn. 155
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Ob eine eheähnliche/lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft oder eine bloße Wohngemeinschaft vorliegt, ist nach Indizien festzustellen, die aus dem Sozialrecht abgeleitet werden, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 12. Da § 24b Abs 2 S 3 EStG im Grundsatz von der Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung ausgeht, trägt das FA die Feststellungslast dafür, dass es sich um eine eheähnliche/lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft handelt, wenn der StPfl geltend macht, er lebe mit der anderen Person nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Als Indizien für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft nennt das BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 in Rz 12 zutreffend
- die Dauer des Zusammenlebens (zB von länger als einem Jahr),
- die Versorgung gemeinsamer Kinder im selben Haushalt,
- die Versorgung anderer Angehöriger im selben Haushalt,
- von beiden Partnern unterschriebener und auf Dauer angelegten Mietvertrag,
- gemeinsame Kontoführung,
- andere Verfügungsbefugnisse über Einkommen Vermögen des Partners oder
- andere gemeinsame Verträge, zB über Unterhaltspflichten.
Beantragt ein StPfl den Abzug von Unterhaltsleistungen an die andere volljährige Person als ag Belastung nach § 33a Abs 1 S 3 EStG, ist in der Regel vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 12..
Rn. 156
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Dass keine Haushaltsgemeinschaft besteht, hat hingegen der StPfl nachzuweisen, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 15. Die gesetzliche Vermutung des § 24b Abs 3 S 2 EStG erfasst nicht einen Volljährigen, der als Mieter und/oder Flüchtling im Haushalt lebt, FG BBg vom 28.02.2023, 6 K 6205/19g.
Der Nachweis, dass keine Haushaltsgemeinschaft besteht, kann unter anderem durch die Erklärung des StPfl oder die der anderen Person geführt werden, sofern die Erklärung glaubhaft ist, vgl dazu aber BFH BStBl II 2012, 815: kein Rückgriff aus § 39 Abs 12 SGB XII oder § 9 Abs 5 SGB II, schriftliche Bestätigung des volljährigen Sohnes eines verwitweten StPfl nicht ausreichend; kritisch dazu Loschelder in Schmidt, § 24b EStG Rz 23 (43. Aufl) unter Hinweis auf Rz 23 (39. Aufl): je nach den Umständen des Einzelfalls können Dritte, insb auch volljährige Kinder, eine zusätzliche Belastung für den StPfl sein.
Rn. 157
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Ist eine pflegebedürftige Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in der Wohnung des StPfl gemeldet, kann der StPfl das Bestehen der gesetzlich vermuteten Haushaltsgemeinschaft in den Fällen widerlegen, in denen wegen der Pflegebedürftigkeit der Person (Pflegegrade 1 bis 5 nach §§ 14, 15 SGB XI – bis einschließlich VZ 2016: Pflegestufe I, II oder III – oder Blindheit oder Hilflosigkeit iSd § 33b Abs 2 S 4 EStG) keine Beteiligung an der Haushaltsführung erfolgt, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 13; Krömker in H/H/R, § 24b EStG Rz 15 (Februar 2021).
Der Nachweis über den Pflegegrad sowie der gesundheitlichen Merkmale "blind" und hilflos richtet sich nach § 65 EStDV. Der Nachweis über den Pflegegrad iSd § 15 SGB XI war durch Vorlage des Leistungsbescheides des Sozialhilfeträgers bzw des privaten Pflegeversicherungsunternehmens zu führen, BMF vom 23.10.2017, BStBl I 2017, 1432 Rz 13.
Bei rückwirkender Feststellung des Merkmals "blind" oder Pflegebedürftigkeit sind bestandskräftige Steuerbescheide auch hinsichtlich des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG zu ändern, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 13. Eine Person ist auch dann nicht fähig, sich an der Haushaltsführung zu beteiligen, wenn sie kein oder nur ein geringes Vermögen iSd § 33a Abs 1 S 4 EStG besitzt und deren Einkünfte und Bezüge iSd § 33a Abs 1 S 5 EStG den in § 33a Abs 1 S 1 EStG genannten Betrag nicht übersteigen, BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634 Rz 13.
Weitergehend sieht der BFH vom 28.06.2012, III R 26/10, BStBl II 2012, 815 zutreffend die Versagung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehenden dann als unbillig an, wenn eine Haushaltsgemeinschaft mit einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen besteht, bei denen jedwede Unterstützungsleistung ausgeschlossen erscheint, so auch Loschelder in Schmid...