Rn. 104
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Das sächliche Existenzminimum des Kindes bemisst sich nach dem nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu ermittelnden tatsächlichen Bedarf, der die Sozialhilfeleistungen zwar über-, jedoch nicht unterschreiten darf, vgl BVerfG v 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174. Der Gesetzgeber muss dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen mindestens das steuerfrei belassen, was einem Bedürftigen aus öffentlichen Mitteln zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung steht.
Der Wohnbedarf des Kindes bemisst sich nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf, vgl BVerfG v 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174. Da regionale Preisunterschiede auf dem Wohnungsmarkt durch das Wohngeld ausgeglichen werden, ist nach BVerfG v 25.09.1992, 2 BvL 5/91 ua, BStBl II 1993, 413, 419 eine Differenzierung des Kinderfreibetrags unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede nicht erforderlich. Die Höhe des jeweiligen sächlichen Existenzminimums ist den Berichten über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien zu entnehmen, BT-Drs 13/9561; 14/1926; 15/2462; 16/3265; 16/11056.
Nach dem 8. Existenzminimumbericht v 30.05.2011 (BT-Drs 17/5550) beträgt der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum eines Kindes aus § 32 EStG in 2012 EUR 4 272; nach dem 9. Existenzminimumbericht v 07.11.2012 (BT-Drs 17/11425) EUR 4 440 in 2014; dieser Betrag unterschreitet zwar den verdoppelten Kinderfreibetrag iHv EUR 4 368, der Bedarf für Bildung und Teilhabe iHv EUR 228, der in die Berechnung des sächlichen Existenzminimums einfließt, könnte jedoch auch dem Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung zugeordnet werden, Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 7 (02/2023), so zutreffend BFH v 19.03.2014, III B 74/13, BFH/NV 2014, 1032.
Nach dem 10. Existenzminimumbericht v 30.01.2015 (BT-Drs 18/3893) beläuft sich das sächliche Existenzminimum des Kindes auf EUR 4 512 im VZ 2015 und EUR 4 608 im VZ 2016.
Nach dem 11. Existenzminimumbericht v 02.11.2016 (BT-Drs 18/10220) beträgt das sächliche Existenzminimum eines Kindes im Jahr 2018 EUR 4 788.
Nach dem 12. Existenzminimumbericht v 09.11.2018 (BT-Drs 19/5400) beträgt das sächliche Existenzminimum eines Kindes im Jahr 2019 EUR 4 886 und im Jahr 2020 EUR 5 004. Nach dem 13. Existenzminimumbericht v 26.10.2020 (BT-Drs 19/22800) beläuft sich das sächliche Existenzminimum eines Kindes im Jahr 2021 auf EUR 5 412 und im Jahr 2022 auf EUR 5 460.
Nach dem 14 Existenzminimumbericht v 02.11.2022 (BT-Drs 20/4443, 10) beläuft sich das sächliche Existenzminimum eines Kindes im Jahr 2024 auf EUR 6 384.
Rn. 105
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Grundlage für die Berechnung des sächlichen Existenzminimums des Kindes ist der durchschnittliche Regelsatz für alle Altersstufen und für das gesamte Bundesgebiet, der Betrag für Bildung und Teilhabe, die Kosten der Unterkunft und die Heizkosten; diese stark typisierende Betrachtung ist vertretbar, Selder in Brandis/Heuermann, § 32 EStG Rz 6 (02/2023); Droege in K/S/M, § 32 Rz A 82, 78a (04/2021); kritisch dazu Dziadkowski, BB 1999, 1409; Dziadkowski, DStZ 1999, 273). Eine Unterschreitung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums durch das einkommensteuerliche ist nicht hinzunehmen, vgl BVerfG v 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174, 180.
Rn. 106
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Hinsichtlich der Ermittlung des durchschnittlichen sächlichen Existenzminimums des Kindes ging das BVerfG von einem gewichteten Durchschnitt des sozialhilferechtlichen Bedarfs für Kinder im Alter von 0–18 Jahren aus, vgl BVerfG v 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BStBl II 1999, 174, 178. Die Regelsatzleistungen für Kinder lagen in Abhängigkeit von ihrem Alter zwischen 45 % und 90 % des durchschnittlichen Eckregelsatzes für Kinder, vgl BVerfG BStBl II 1999, 174, 178, 181. Zur Ermittlung des sächlichen Existenzminimums des Kindes nach dem Urteil das BVerfG v 09.02.2010, 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 vgl BFH v 19.03.2014, III B 74/13, BFH/NV 2014, 1032 unter Bezugnahme auf die Rspr des BSG.
Rn. 107
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Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs 4 EStG wird der Kinderfreibetrag jedoch nicht nur Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt. Das durchschnittliche sozialhilferechtliche Existenzminimum von Kindern nach der Vollendung des 18. und vor der Vollendung des 25. Lebensjahres wird jedoch bei der Ermittlung der Höhe des sächlichen Existenzminimums nicht berücksichtigt. Es fragt sich deshalb, ob als sächliches Kinderexistenzminimum für die Kinder im Alter zwischen 18 und 25 Jahren beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs 4 EStG ein höherer Betrag, nämlich der sozialhilferechtliche Regelsatz für einen allein stehenden Erwachsenen, vgl BVerfG v 26.01.1994, 1 BvL 12/86, BStBl II 1994, 307, v Gesetzgeber hätte berücksichtigt werden müssen, vgl FG Niedersachsen v 16.02.2016,237/15, DStRE 2016, 463, aufgehoben durch BFH v 21.07.2016, ...