Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
ba) Abgrenzungsrelevanz
Rn. 648
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Zahlreiche Bewertungsvorschriften knüpfen für die Folgebewertung tatbestandlich an der Beweglichkeit eines WG an.
- planmäßige Abschreibung: sowohl die degressive (§ 7 Abs 2 EStG) als auch die leistungsabhängige Abschreibung (§ 7 Abs 1 S 6 EStG) sind nur für abnutzbare bewegliche WG möglich;
- Sofortabschreibung (§ 6 Abs 2 EStG) sowie Sammelpostenbildung (§ 6 Abs 2a EStG) sind nur für abnutzbare bewegliche WG möglich;
- IAB (§ 7g Abs 1 EStG) und Sonderabschreibungen zur Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe (§ 7g Abs 5 EStG setzen die (künftige) Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen WG voraus;
- Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung von Anteilen an KapGes bis TEUR 500 nach § 6b Abs 10 EStG setzt bewegliche WG des AV (oder alternativ andere Anteile an KapGes) voraus.
bb) Abgrenzungskriterien
Rn. 649
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Für die Abgrenzung zwischen beweglichen und unbeweglichen WG knüpft die Rspr an die zivilrechtliche Differenzierung an. Ausgehend von der Legaldefinition des Begriffs "Sachen" als körperliche Gegenstände (§ 90 BGB) könne nur für körperliche = materielle Güter ieS (s Rn 644) zwischen den Kategorien beweglich und unbeweglich unterschieden werden (BFH v 06.08.1964, IV 215/62 U, BStBl III 1964, 575; BFH v 20.11.1970, VI R 44/69, BStBl II 1971, 186; BFH v 22.05.1979, III R 129/74, BStBl II 1979, 634; BFH v 03.07.1987, III R 7/86, BStBl II 1987, 728; BFH v 24.08.1989, IV R 38/88, BStBl II 1989, 1016).
Alle nichtkörperlichen WG (immaterielle/Finanzwerte = materielle iwS) entziehen sich damit dieser Differenzierung, sie bilden eine WG-Kategorie sui generis (zB Herzig/Söffing, WPg 1994, 604; Meyer in K/S/M, § 7 EStG Rz B 450 "Immaterielle WG", C 27 (06/2023)), sind also weder beweglich noch unbeweglich (H 7.1 EStH 2022 "Bewegliche WG"). Sie scheiden damit aus dem Anwendungsbereich aller Vorschriften aus, die tatbestandlich auf Beweglichkeit abstellen, dh insb aus dem Anwendungsbereich der degressiven AfA (§ 7 Abs 2 EStG), wofür eine sachliche Rechtfertigung nicht durchgehend ersichtlich ist.
bc) Unbewegliche Wirtschaftsgüter
Rn. 650
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Unbewegliche WG sind:
- Grund und Boden;
- Gebäude(-teile) mit Ausnahme von Betriebsvorrichtungen (s Rn 162) und Scheinbestandteilen (s Rn 163); einschließlich Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (§ 7 Abs 5b EStG), auch fest mit dem Grund und Boden verankerte, verglaste Gewächshäuser (BFH v 21.01.1988, IV R 116/86, BStBl II 1988, 628); auf festen Fundamenten ruhende Bürocontainer (BFH v 25.04.1996, III R 47/93, BStBl II 1993, 613), öffentliche, fest mit dem Boden verbundene Toilettenhäuschen (BFH v 24.05.2007, II R 68/05, BStBl II 2008, 12); nicht dagegen Baustellencontainer zur Verwendung auf wechselnden Einsatzstellen (BFH v18.06.1986, II R 222/83, BStBl II, 782); Verkaufspavillon ohne Fundament und hinreichendes Eigengewicht (FG RP v 18.03.2011, 4 K 2522/08, EFG 2012, 1118), insoweit legen Betriebsvorrichtungen, dh bewegliche WG vor (s Rn 162);
- Ladenein-/-umbauten, zB Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten, Schalterhallen bei Kreditinstituten (zur Abgrenzung s Rn 163a) werden mit Ein-/Umbau zu unbeweglichen WG;
- Mieterein-/-umbauten, die kein Scheinbestandteil/keine Betriebsvorrichtung sind (zur Abgrenzung s Rn 164) werden mit Ein-/Umbau zu unbeweglichen WG;
- Außenanlagen (s Rn 167);
- Bodenschatz als bilanziell bereits durch Aufschließung verselbstständigtes, aber im Boden ruhendes WG (BFH v 23.06.1977, IV R 17/73, BStBl I 1977, 825; BFH v 25.07.2012, I R 101/10, BStBl II 2013, 165), s Rn 168b;
- Baumbestand als stehendes Holz (RFH v 12.05.1037, VI A 585/36, RStBl 1937, 926; vgl auch BFH v 17.05.1960, I 35/57 S, BStBl III 1960, 306), s Rn 168c.
bd) Bewegliche Wirtschaftsgüter
Rn. 651
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bewegliche WG sind:
- bewegliche Sachen iS § 90 BGB;
- Betriebsvorrichtungen, auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind (R 7.1 Abs 3 S 2 EStR 2012, zur Abgrenzung s Rn 162), einschließlich Photovoltaikanlagen, unabhängig davon, ob es sich um Aufdach- oder dachintegrierte Anlagen handelt (R 4.2 Abs 3 S 4 EStR 2012 iVm R 7.1 Abs 3 EStR 2012; LfSt Niedersachsen v 07.11.2022, S 2240-St 222/St 221–2473/2022, Rz 5);
- Scheinbestandteile (zur Abgrenzung s Rn 163), die infolge ihrer definitionsgemäßen Eigenschaft der "Verbindung zu einem nur vorübergehenden Zweck" ihre Beweglichkeit behalten (BFH v 31.07.1997, III R 247/94, BFH/NV 1998, 325 unter II.3), wenn sie nicht ihrerseits Gebäude sind;
- Bodenschatz, nach Abbaubeginn (BFH v 23.06.1977, IV R 17/73, BStBl I 1977, 825), s Rn 168b;
- Baumbestand als geschlagenes Holz (BFH v 17.05.1960, I 35/57 S, BStBl III 1960, 306), s Rn 168c;
- Feldinventar und stehende Ernte (implizit BFH v 16.11.1978, IV R 160/74, BStBl II 1979, 138: UV);
- Schiffe (R 7.1 Abs 2 S 2 EStR 2012);
- Flugzeuge (R 7.1 Abs 2 S 2 EStR 2012);
- Trivialsoftware ist zwar ein immaterielles WG, wird durch die FinVerw dennoch als beweglich eingeordnet (R 5.5 Abs 1 S 2 EStR 2012; BMF v 15.06.2022, BStBl I 2022, 945 Rz 6, kritisch BFH v 18.05.2011, X R 26/09, ...