Rn. 46
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Aus § 42g Abs 2 S 2 EStG ergibt sich für den mit der LSt-Nachschau Beauftragten die Befugnis zum Betreten von – betrieblichen – Grundstücken und Räumen des von der LSt-Nachschau Betroffenen. Das Betreten von Wohnräumen ist hingegen nur unter den in § 42g Abs 2 S 3 EStG genannten einschränkenden Voraussetzungen gestattet, s Rn 60. Die Grundstücke und die Räume müssen nicht im (wirtschaftlichen) Eigentum der betroffenen Person stehen, es reicht aus, dass diese die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber zB aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses ausübt, Krüger in Schmidt, § 42EStG Rz 10 (43. Aufl).
Bei den betrieblichen Grundstücken und Räumen handelt es sich in erster Linie um die sog Geschäftsräume, dh die Räume, in denen die betriebliche Tätigkeit erfolgt. Dies sind neben den Örtlichkeiten, die der Öffentlichkeit allg zugänglich gemacht worden sind (Empfangsräume, Verkaufsflächen, Ladenlokale), die Örtlichkeiten, die für die Beschäftigten frei zugänglich sind (frei geöffnete Werkstatt-, Produktions-, Büro- und Besprechungsräume, Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 5 (Dezember 2022)).
Das Betretungsrecht umfasst aber auch solche Räume, zu denen kein allgemeiner ungehinderter Zugang besteht, die aber zumindest für einen Teil der Beschäftigten zugänglich sind, wie Lagerräume, Archive und Sozialräume; Gleiches gilt für Baustellen, Freigelände und landwirtschaftliche Flächen, Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 32 (Mai 2022). Es muss sich nicht um ortsfeste Gebäude handeln, auch sog fliegende Bauten, wie Baubaracken, die nach gewisser Zeit wieder abgebaut werden, sind Räume iSd § 42g Abs 2 S 2 EStG. Auch bei Containern, in denen sich die Leitung für eine Baustelle befindet oder ein Pausenraum für die auf der Baustelle eingesetzten Bauarbeiter, dürfte es sich um Räume iSd § 42g Abs 2 S 2 EStG handeln.
Rn. 47
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Nach BMF vom 16.10.2014,1408, BStBl I 2014, 1408 Rz 21 ist ein VA gegeben, wenn der mit der LSt-Nachschau Beauftragte den StPfl auffordert, das Betreten der nicht öffentlich zugänglichen Geschäftsräume zu dulden, ausführlich zum Rechtsschutz s Rn 25, 70, 72.
Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben sich für das Betreten von Räumen, die üblicherweise nicht für den unkontrollierten Zugang vorgesehen sind, aber explizit betrieblich bzw beruflich genutzt werden, iRd LSt-Nachschau keine höheren Anforderungen als für solche Räume, die der Öffentlichkeit allg zugänglich sind oder zu denen die Beschäftigten einen unkontrollierten Zugang haben, aA Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 5 (Dezember 2022). Es muss nicht objektiv ersichtlich sein, dass dort überhaupt etwas lohnsteuerlich Erhebliches festgestellt werden kann. Die verfassungsrechtliche Rspr (BVerfG vom 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54) erstreckt zwar den Wohnungsbegriff aus Art 13 Abs 1 GG auch auf Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, sieht jedoch behördliche Nachschaumöglichkeiten bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen als zulässig an (vgl BVerfGE 32, 54, Rz 38 ff zum Wohnungsbegriff sowie Rz 53 ff zu den Voraussetzungen für eine Nachschau).
Daraus, dass für die Beschäftigten zu bestimmten betrieblich oder beruflich genutzten Räumen kein unkontrollierter Zugang besteht, folgt nicht die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Räume iSd des Grundrechts aus Art 13 Abs 1 GG, diese Räume weisen keinen Bezug zur privaten Sphäre auf.
Das Betretungsrecht bezieht sich hingegen nicht auf (betriebliche und private) Fahrzeuge, da es sich dabei nicht um Räume iSd § 42g Abs 2 S 2 EStG handelt, Fissenewert in H/H/R, § 42g EStG Rz 34 (Dezember 2022).
Rn. 48
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Fraglich ist, ob sich das Betretungsrecht aus § 42g Abs 2 S 2 EStG auch auf solche Räume und Grundstücke erstreckt, die nicht nur einer gewerblichen oder beruflichen Nutzung dienen, sondern auch zu privaten Wohnzwecken (gemischt genutzte Räume). In Teilen der Literatur wird dazu die Auffassung vertreten, entscheidend sei, ob die Grundstücke oder Räume durch den Verfügungsberechtigten "nach außen geöffnet" worden seien. Da dieses bei gemischt beruflich und privat genutzten Räumen idR nicht der Fall sei, sei eine LSt-Nachschau in solchen Räumen unzulässig, Krüger in Schmidt, § 42g EStG Rz 10 (43. Aufl); Janssen-Heid/Hilbert, BB 2015, 598.
Erfolge erkennbar auch eine Nutzung des betreffenden Raumes zu privaten Wohnzwecken, sei im Zweifel ein Wohnraum iSd § 42g Abs 2 S 3 EStG anzunehmen, Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 34 (Mai 2022); dies gelte insb für häusliche Arbeitszimmer; Krüger in Schmidt, § 42g EStG Rz 10 (43. Aufl); Bergan/Jahn, NWB 2015, 579; Buse, DB 2016, 1152; aA BMF vom 16.10.2014, BStBl I 2014, 1408 Rz 9. Die Anwesenheit von ArbN in dem betreffenden Raum lasse allerdings regelmäßig den Schluss zu, dass es sich nicht um einen (auch) zu privaten Wohnzwecken genutzten Raum handele, Wagner in Brandis/Heuermann, § 42g EStG Rz 34 (Mai 2022).
Rn. 49
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Bei der Frage nach dem Bet...