Rn. 102
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Unter den Begriff der "Bauleistung" fallen nicht alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit einem Bauwerk erbracht werden können. In § 48 Abs 1 S 3 EStG wird ausdrücklich auf die Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung des Bauwerks abgestellt. Kennzeichnend für diese Tätigkeiten ist, dass sie jeweils auf die Substanz des Bauwerks einwirken (Tz 5 BMF BStBl I 2022, 1229; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; Eggers, StuB 2001, 1149; Apitz, StBp 2002, 322; aA Gosch in Kirchhof/Seer, § 48 EStG Rz 9 (21. Aufl); Ebling in Brandis/Heuermann, § 48 EStG Rz 80 (Mai 2021)). Entweder sie erweitern die Substanz (Herstellung) oder sie verbessern die Substanz (Instandsetzung, Instandhaltung), oder sie gestalten die Substanz um (Änderung), oder sie vernichten die Substanz (Beseitigung).
Rn. 103
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Da eine Bauleistung vorliegt, wenn sie der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, ist für die Bestimmung des Umfangs der Bauleistungen entscheidend, wie eng der Zusammenhang zu dem Bauwerk sein muss, damit ein "dienen" noch als erfüllt anzusehen ist. Zu weitgehend ist es mE, einen bloßen Grundstücksbezug zu fordern und auch Vorbereitungshandlungen, wie zB das Einrichten der Baustelle oder das Aufstellen von Baucontainern als Bauleistungen anzusehen. Eine "Bau"-leistung liegt erst dann vor, wenn sie dem eigentlichen Bauvorgang unmittelbar dient, also in einem direkten und funktionalen Zusammenhang mit der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung des Bauwerks steht. Alle Tätigkeiten, die (noch) nicht auf die Substanz des Bauwerks einwirken, können daher nicht unter die von § 48 Abs 1 S 3 EStG erfassten Tätigkeiten subsumiert werden. Sie lösen keine Steuerabzugsverpflichtung aus (wie hier: Oellerich in Bordewin/Brandt, § 48 EStG Rz 19 und 30 (Dezember 2019); Naujok in Lademann, § 48 EStG Rz 98 (November 2017); vgl auch Tz 5 BMF BStBl I 2022, 1229; aA Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52; Apitz in H/H/R, § 48 EStG Rz 14 (November 2018: Grundstücksbezug reicht).
Rn. 103a
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Ob der BFH den Begriff der "Bauleistung" auf substanzbezogene Leistungen begrenzen wird, bleibt abzuwarten. Das Gericht hält eine weite Auslegung des Begriffs der "Bauleistung" für erforderlich. Zur Begründung verweist der BFH auf den Wortlaut des § 48 Abs 1 S 3 EStG ("alle Leistungen", die der Substanzveränderung "dienen") und auf den Zweck der Bauabzugsteuer, im gesamten Baugewerbe die illegale Beschäftigung einzudämmen und Steueransprüche zu sichern (BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; wohl enger: FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351; FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959: unmittelbare Substanzeinwirkung erforderlich). Wird die "Bauleistung" umfassender verstanden, würden auch vorbereitende Baustellenarbeiten Bauleistungen darstellen (so jedenfalls die Klassifizierung der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts, Ausgabe 2008, Abschnitt F ("Baugewerbe")).
Rn. 104
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Nicht von § 48 Abs 1 S 3 EStG erfasst sind ausschließlich
- planerische Leistungen (zB von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs-, Prüf- und Bauingenieuren),
- Labordienstleistungen (zB chemische Analysen von Baustoffen),
- die Bauüberwachung,
- die Prüfung von Bauabrechnungen und
- die Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben (Tz 6 BMF BStBl I 2022, 1229; vgl auch BGH VII ZR 430/02, DStRE 2005, 1333; Schmitt/Seitz, Stbg 2001, 669; deutlich weitergehend: Gosch in Kirchhof/Seer, § 48 EStG Rz 9 (21. Aufl)).
- Auch die Erteilung der Baugenehmigung ist keine Bauleistung.
- Das Gleiche gilt für Finanzierungs-, Rechtsberatungs- und Geschäftsbesorgungsleistungen im Zusammenhang mit einem Bauwerk.
- Die ArbN-Überlassung stellt ebenfalls keine Bauleistung dar, selbst wenn die ArbN ein Bauwerk herstellen, instandsetzen oder beseitigen (Tz 8 BMF BStBl I 2022, 1229; Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52; Gebhardt/Biber, EStB 2001, 462).
Rn. 105
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Die Schaffung von Kunst an einem Bauwerk ist eine Bauleistung, wenn die Substanz des Bauwerks verändert wird (zB künstlerisches Design des Bauwerks, Wandgemälde, nicht dagegen Skulpturen im Garten). Die bloße Konzeption oder Planung eines Kunstwerks und die Überwachung der Ausführung ist dagegen mangels Substanzbezugs keine Bauleistung (Tz 7 BMF BStBl I 2022, 1229).
Rn. 106
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Begriff der Herstellung umfasst nach § 255 Abs 2 S 1 HGB die Schaffung eines Bauwerks, seine Erweiterung oder die wesentliche Verbesserung über seinen ursprünglichen Zustand hinaus. Die bloße Anschaffung eines Bauwerks ist keine Herstellung. Wird nur Baumaterial angeliefert, gehört die bloße Lieferung nicht zum eigentlichen Herstellungsvorgang (Schmitt/Seitz, Stbg 2001, 669; Beck/Girra, NJW 2002, 1079; Apitz, StBp 2002, 322).