Rn. 49
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
In Mehrstufenfällen kann der Steuerabzug auf einer nachgelagerten Stufe gem § 50a Abs 4 S 1 EStG unterbleiben, wenn auf der vorgelagerten Stufe ein Steuerabzug von den Bruttoeinnahmen erfolgte. § 50a Abs 4 S 2 EStG enthält eine diesbezügliche Ausnahmevorschrift.
Rn. 50
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Hintergrund der Regelung ist, dass ein Steuerabzug grds nicht nur auf der letzten Stufe zu erfolgen hat, sondern auch auf etwaig vorhandenen vor- oder zwischengeschalteten Stufen (s BFH v 22.08.2007, BStBl II 2008, 190).
Beispiel:
So kann etwa bei dem Auftritt eines Musikers im Inland ein Steuerabzug auf zwei Stufen vorzunehmen sein:
- zum einen auf die Vergütung des Veranstalters an eine den Auftritt des Künstlers vermittelnde Agentur (1. Stufe) und
- zum anderen auf die – um die Marge der Agentur reduzierte – Vergütung der Agentur an den auftretenden Musiker (2. Stufe).
Da der Steuerabzug grds von den Bruttoeinnahmen und nicht von den die Aufwendungen berücksichtigenden Einkünften erfolgt, können iRd Steuerabzugs auf der zweiten Stufe (im Bsp: Vergütung der Agentur an den Künstler) die Vergütungen auf der ersten Stufe (im Bsp: Vergütung des Veranstalters an die Agentur) nicht abgezogen werden.
Die Vergütungen auf der ersten Stufe bestehen wirtschaftlich betrachtet zum einen aus der Vergütung des Vergütungsgläubigers der ersten Stufe (im Bsp: der Agentur) und zum anderen aus der Vergütung des Vergütungsgläubigers der zweiten Stufe (im Bsp: der Künstler). Der Steuerabzug auf der ersten Stufe umfasst somit beide Elemente.
Ein Steuerabzug auch auf der zweiten Stufe führt insoweit in Höhe der Vergütung der zweiten Stufe zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Mithin ergibt sich bereits in Zweistufenfällen ein steuersystematisch nicht zu rechtfertigender und auch vom Gesetzgeber nicht gewollter Kumulierungseffekt.
Rn. 51
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Die Vorschrift des § 50a Abs 4 S 1 EStG legt daher fest, dass der als Vergütungsgläubiger der ersten Stufe und damit gleichzeitig als Vergütungsschuldner einer zweiten Stufe beschränkt StPfl (im Bsp s Rn 50: die Agentur) iRd zweiten Stufe (im Bsp: auf die Vergütung an den Künstler) keinen Steuerabzug vorzunehmen hat. Rein wirtschaftlich betrachtet stellt sich das gleiche Resultat ein, als ob iRd Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug auf der ersten Stufe die Vergütung der zweiten Stufe als BA oder WK hätte steuermindernd geltend gemacht werden können.
Voraussetzung ist, dass auf der ersten Stufe ein Steuerabzug von den Einnahmen gem § 50a Abs 2 EStG mit 15 % tatsächlich erfolgt. Ein Unterlassen des Steuerabzugs gem § 50a Abs 4 S 1 EStG ist demzufolge beispielsweise nicht zulässig, wenn auf der ersten Stufe ein Steuerabzug aufgrund einer DBA-basierten (Teil -)Freistellungsbescheinigung unterblieben ist. Andernfalls wäre der Vergütungsgläubiger der zweiten Stufe faktisch durch eine DBA-Regelung begünstigt, ohne dass sichergestellt wäre, dass er die Begünstigungen originär selbst in Anspruch nehmen könnte.
Rn. 52
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Zwecks Sicherstellung des einmaligen Steuerabzugs auf die Bruttoeinnahmen legt die Ausnahmevorschrift des § 50a Abs 4 S 2 Hs 1 EStG fest (s BMF v 25.11.2010, BStBl I 2010, 1350 Tz 35ff), dass der Steuerabzug auf der ersten Stufe ungeachtet § 50a Abs 4 S 1 EStG zu erfolgen hat, wenn der Vergütungsschuldner der zweiten Stufe bzw Vergütungsgläubiger der ersten Stufe (im Bsp s Rn 50: die Agentur) für die Vergütungen auf der ersten Stufe
- BA oder WK nach § 50a Abs 3 EStG zur Reduzierung der Bemessungsgrundlage geltend macht oder
- die Veranlagung nach § 50 Abs 2 S 2 Nr 5 EStG beantragt oder
- die Erstattung der Abzugsteuer nach § 59d Abs 1 EStG oder einer anderen Vorschrift beantragt.
Beispiel:
Sachverhalt wie in Bsp s Rn 50. Falls etwa iRd des Steuerabzugs auf die Vergütung des Veranstalters an die Agentur (erste Stufe) die Vergütungen der Agentur an den Künstler als BA oder WK gem § 50 Abs 2 S 2 Nr 5 EStG oder gem § 50a Abs 3 EStG mindernd angesetzt und ein Steuerabzug auf der zweiten Stufe unterlassen würden, unterläge die Vergütung der zweiten Stufe keiner Besteuerung.
Rn. 53
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Der Steuerabzug auf der zweiten Stufe ist grds in dem Zeitpunkt vorzunehmen, wenn der Abzug der BA oder WK bzgl des Steuerabzugs auf der ersten Stufe geltend gemacht bzw der Veranlagungs- oder Erstattungsantrag gestellt wird.
Rn. 54
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Gem des in § 50a Abs 4 S 2 Hs 2 EStG enthaltenen Verweises gilt § 50a Abs 5 EStG verfahrensrechtlich entsprechend.
Rn. 55
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Die Vorschrift des § 50a Abs 4 EStG gilt nicht nur für zweistufige Strukturen, sondern auch für mehrstufige Strukturen.
Das Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlusstatbestände des § 50a Abs 4 S 2 EStG auf einer Zwischenstufe verhindert dabei nicht jegliches Unterlassen des Steuerabzugs in der Kette, sondern nur in Bezug auf die direkt nachgelagerte – nicht aber vorgelagerte oder indirekt nachgelagerte...