Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 32
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Gemäß § 50c Abs 2 S 1 Nr 1 EStG wird die Freistellung im Abzugsverfahren nur auf Antrag vom BZSt gewährt; antragsberechtigt aus eigenem Recht ist nur der Vergütungsgläubiger, dh entweder der zivilrechtliche Vertragspartner oder der wirtschaftliche Eigentümer nach § 39, 42 AO als steuerliches Zurechnungssubjekt (BFH vom 18.05.2021, I R 77/17, BStBl II 2022, 114). Dieser kann jedoch dem inländischen Vergütungsschuldner Vollmacht erteilen (zu § 50d EStG aF FG Köln vom 24.02.2000, EFG 2000, 1189). Zuständig ist ausschließlich das BZSt (5 Abs 1 S 1 Nr 2 FVG).
Das FA kann eine Freistellung im Abzugsverfahren nicht gewähren, dies gilt auch bei einer analogen Anwendung des § 50c Abs 3 EStG für die Erstattung von Abzugsteuern außerhalb der in § 50c EStG geregelten Fälle (hierzu s Rn 56; zu § 50d Abs 2 EStG aF BFH vom 04.03.2009, BStBl II 2009, 625 mwN; Gosch in Kirchhof, § 50c EStG Rz 16, 21. Aufl 2022).
Rn. 33
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Freistellung im Abzugsverfahren ist ausschließlich zukunftsbezogen, sie gilt frühestens ab dem Tag, an dem der Antrag beim BZSt eingeht (§ 50c Abs 2 S 4 EStG). Sind nach der Antragstellung KapErtr oder Vergütungen zugeflossen, ist der Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet, auch wenn die Freistellungsbescheinigung danach noch rückwirkend ab Antragstellung erteilt wird. § 50c Abs 2 S 3 Hs 2 EStG ermöglicht in diesen Fällen die Erstattung der zuviel einbehaltenen Steuer durch eine (nachträgliche) Änderung der Steueranmeldung auf Grundlage von § 168 iVm § 164 Abs 2 AO; die Erteilung einer nachträglichen Freistellungsbescheinigung stellt kein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 AO dar (Buciek, IStR 2001, 102; Gosch in Kirchhof, § 50c EStG Rz 16, 21. Aufl 2022).
Sind die Voraussetzungen des § 50c Abs 2 S 3 Hs 2 EStG erfüllt, hat die Änderung der Steueranmeldung vorrangig zu erfolgen (Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50c EStG Rz 31, November 2021). Außerhalb des § 50c Abs 2 S 3 Hs 2 EStG bleibt nur der Weg des Erstattungsverfahrens nach § 50c Abs 3 EStG oder der Anrechnung im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens nach § 36 Abs 2 Nr 2 EStG.
Rn. 34
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Das BZSt entscheidet über den Antrag durch Erteilung einer Freistellungsbescheinigung an den Vergütungsgläubiger, diese kann sich auf eine einmalige Zahlung beziehen oder als Dauerfreistellung gestaltet sein. Auf das Erfordernis des Vorliegens der Freistellungsbescheinigung beim Vergütungsschuldner (§ 50d Abs 2 S 5 EStG aF) wurde im Rahmen des § 50c EStG verzichtet. Insoweit ist für die Berechtigung des Vergütungsschuldners zur Abstandnahme vom Steuerabzug entscheidend, dass zuvor eine Bescheinigung erteilt wurde; der Nachweis über das Vorliegen beim Vergütungsschuldner muss nicht mehr geführt werden.
Liegen nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Freistellungsbescheinigung vor, ist dies nach wie vor nicht ausreichend für eine Abstandnahme vom Steuerabzug (zu § 50d Abs 2 S 5 EStG aF FG Sachsen vom 16.08.2012, 1 K 817/09, rkr, mwN).
Rn. 35
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
§ 50c Abs 2 S 4 EStG regelt die Nebenbestimmungen, unter denen die Freistellungsbescheinigung zu erlassen ist. Nach § 50c Abs 2 S 4 Hs 1 EStG muss die Freistellungsbescheinigung als Nebenbestimmung eine Befristung enthalten; sie darf höchstens für einen Zeitraum von drei Jahren und frühestens ab dem Zeitpunkt des Antragseingangs beim BZSt gültig sein. Eine Mindestgültigkeit ist nicht vorgeschrieben (anders noch § 50d Abs 2 S 4 EStG aF: Mindestgültigkeit 1 Jahr). Damit soll im Interesse des StPfl auch dann eine Freistellung möglich sein, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht während eines ganzen Jahres gegeben sind (deshalb sieht sich die Regierungsbegründung auch nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Zins- und Lizenzrichtlinie (2003/49/EG vom 03.06.2003), nach der eine Mindestgültigkeit von 1 Jahr erforderlich ist; s BT-Drs 19/27632, 52).
Des Weiteren muss die Freistellungsbescheinigung nach § 50c Abs 2 S 4 Hs 2 EStG Bedingungen enthalten, die die Einhaltung der Voraussetzungen ihrer Erteilung im Zeitraum der Gültigkeit sicherstellen. Dazu zählt zB grundlegend die durchgehende Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers in dem anderen Staat sowie bei Freistellungsbescheinigungen auf der Grundlage des § 43b EStG die Einhaltung der Beteiligungsvoraussetzungen. Nach der Regierungsbegründung (BT-Drs 19/27632, 52) können sich weitere Bedingungen aus der Beachtung der Voraussetzungen des § 50d Abs 3 EStG ergeben. Die obligatorische Bedingung der Freistellungsbescheinigung führt bei Nichteinhaltung automatisch zu deren Ungültigkeit, so dass auf eine gesetzliche Mitteilungspflicht des Gläubigers im Hinblick auf den Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen (wie in § 50d Abs 2 S 4 EStG aF) im Rahmen des § 50c EStG verzichtet werden konnte.
Neben den obligatorischen Bedingungen kann die Freistellungsbescheinigung zusätzlich mit weiteren Nebenbedingungen iSd § 120 AO versehen werden, die im Ermessen des BZSt liegen (§ ...