Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 46
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt und wurde diese durch das BZSt erteilt, kann der Steuerabzug unterbleiben bzw zu einem niedrigeren Steuersatz vorgenommen werden. Wichtigste Folge für den Schuldner ist die damit einhergehende zukunftsbezogene Entbindung von der Haftung für die Steuerabzugsbeträge (s § 50a Abs 1 und 5 EStG, § 44 Abs 5 EStG).
Rn. 47
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Wird gegen die Steuerabzugsverpflichtung verstoßen, kann die Steuer entweder beim Vergütungsgläubiger durch Nachforderungsbescheid oder beim Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid erhoben werden. Regelfall ist die Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners. Dieser kann auch insoweit in Haftung genommen werden, als die Steuer nach § 43b EStG, nach § 50g EStG oder nach einem DBA zu erstatten ist.
Die Regelung des § 50c Abs 1 S 2 EStG, dass der Vergütungsschuldner sich nicht auf Rechte des Vergütungsgläubigers aus den §§ 43b bzw 50g EStG oder dem DBA berufen kann, findet ebenfalls bei einer Inanspruchnahme im Haftungsweg Anwendung.
Rn. 48
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die unmittelbare Nachforderung beim Vergütungsgläubiger kommt nur in Ausnahmefällen (§ 44 Abs 5 S 2 EStG, § 50a Abs 5 S 5 EStG) in Frage. Im Rahmen des Nachforderungsverfahrens kann sich der Vergütungsgläubiger auf seine Rechte aus dem jeweiligen DBA bzw aus den §§ 43b, 50g EStG berufen (BFH vom 10.06.1992, BFH/NV 1993, 27; Wassermeyer, IStR 1992, 25; Loschelder in Schmidt, § 50c EStG Rz 9, 41. Aufl 2022; Gosch in Kirchhof, § 50c EStG Rz 10, 21. Aufl 2022; Käshammer/Kindler, ISR 2020, 344; Pinkernell/Schlotter, FR 2021, 909, 916 f kritisch zur Inanspruchnahme des ausländischen Vergütungsschuldners bei Registerfällen).
Rn. 49
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Im Vergleich zur Gesetzeslage unter § 50d EStG aF wird der Vergütungsschuldner im Rahmen von § 50c EStG ungleich höheren Haftungsrisiken ausgesetzt, da die Freistellungsbescheinigung nach § 50c Abs 2 EStG nur noch unter der auflösenden Bedingung wirksam ist, dass die Voraussetzungen für ihre Erteilung eingehalten werden. Damit kann die Freistellungsbescheinigung auch ohne Widerruf bzw Rücknahme durch das BZSt ihre Gültigkeit verlieren, wenn sich auf Seiten des ausländischen Gläubigers unbemerkt entsprechende Sachverhaltsänderungen ergeben.
Während der Vergütungsschuldner bisher auf die Rechtmäßigkeit der Freistellungsbescheinigung grundsätzlich vertrauen konnte, werden nun die Risiken aus fehlerhaften Freistellungsbescheinigungen auf ihn verlagert (hierzu im Einzelnen s Gude, IStR 2022, 884).
Diese Schwierigkeiten für den Vergütungsschuldner erkennt der Gesetzgeber durchaus an; verweist jedoch darauf, dass in Zweifelsfällen der Steuerabzug trotz vorliegender Freistellungsbescheinigung vorgenommen werden kann, um den Haftungsrisiken zu entgehen (BT-Drs 19/27632, 53).
Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang der in der Regierungsbegründung enthaltene Hinweis, dass weitere auflösende Bedingungen aus den Voraussetzungen des § 50d Abs 3 EStG resultieren können. Inwieweit zB eine wirtschaftliche Tätigkeit des Vergütungsgläubigers bzw ein dafür angemessen ausgestatteter Geschäftsbetrieb im Ausland vorliegen, wird sich bei Verträgen mit fremden Dritten regelmäßig einer abschließenden Beurteilung durch den Vergütungsschuldner entziehen. Eine Freistellungsbescheinigung versehen mit einer entsprechenden auflösenden Bedingung könnte ihre haftungsbefreiende Funktion in aller Regel nicht erfüllen. Nach den bisher vorliegenden praktischen Erfahrungen macht das BZSt von dieser Möglichkeit jedoch keinen standardmäßigen Gebrauch (s hierzu auch Gebhardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 50c Rz 49, 7. Aufl Stand Januar 2022).