Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 161
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 9 EStG betrifft nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen unbeschränkt StPfl, deren Einkünfte aufgrund eines DBA von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind. Eine Anwendung auf beschränkt StPfl ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht möglich. Aufgrund der erkennbaren Ausrichtung auf die abkommensrechtliche Freistellung nach Art 23A OECD-MA geht die Rspr davon aus, dass § 50d Abs 9 EStG nur auf die sog Outbound-Situation anwendbar ist, nicht jedoch in Fällen, in den Deutschland in seiner Rolle als Quellenstaat (sog Inbound-Situation) angesprochen ist (ausdrücklich zur teleologischen Reduktion des insoweit überschießenden Gesetzeswortlauts im Falle der fiktiven unbeschränkten StPfl nach § 1 Abs 3 EStG vgl BFH vom 02.09.2009, BStBl II 2010, 394 mwN).
In Fällen der unbeschränkten StPfl außerhalb des Spezialfalls des § 1 Abs 3 EStG, wenn zB bei Vorliegen eines Doppelwohnsitzes aufgrund der abkommensrechtlichen Tie-Breaker-Regelungen der andere Vertragsstaat als Wohnsitzstaat für Zwecke der Abkommensanwendung gilt, ist eine teleologische Reduktion jedoch nicht möglich (Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 41 (20. Aufl); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 191 (06/2020); aA Schönfeld/Rüsch in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d Abs 9 EStG Rz 54 (10/2021).
Rn. 162
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Der Begriff der Einkünfte umfasst positive und negative Einkünfte iSd § 2 EStG. Im Falle einer Nicht- oder Minderbesteuerung aufgrund des DBA im anderen Vertragsstaat können daher auch ausländische Verluste im Inland berücksichtigt werden, wobei allerdings die weiteren Verlustverrechnungsbeschränkungen des deutschen Rechts (zB §§ 2a, 15a EStG) zu beachten sind (BFH vom 11.07.2018, I R 52/16, BStBl II 2019, 105; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 197a (06/2020); Wagner in Brandis/Heuermann, § 50d EStG Rz 142 (12/2023); Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 56 (40. Aufl); Loose/Hölscher/Althaus, BB 2006, 2724).
Rn. 163
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Einkünfte iSd § 50d Abs 9 S 1 EStG sind nach nationaler Einkunftszuordnung zu bestimmen (so die hM BFH vom 21.01.2016, I R 49/14, BStBl II 2017, 107; Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 122 (12/2022); Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 41a (20. Aufl); aA auf Basis eines normspezifischen, an die abkommensrechtlichen Quellenzuordnung anknüpfenden Einkünftebegriffs, Pohl, DB 2012, 258; Benecke, FR 2010, 1102/32; BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Tz 4.1.1.2.4., 4.1.3.3.2. und 5.1 zu Sonder-BE). Bedeutung hatte die Unterscheidung bis zur Änderung des § 50d Abs 9 S 1 EStG durch das BEPS-UmsG vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 3000) insb für Einkünfte, die nach innerstaatlicher Wertung nur einer, abkommensrechtlich, aber verschiedenen Einkunftsarten zugeordnet und deshalb zumindest teilweise im Ausland besteuert werden. Dies ist zB bei Einkünften aus ausländischen Mitunternehmerschaften der Fall, wenn Sondervergütungen abweichend zum deutschen Steuerrecht im Ausland nicht besteuert und einer anderen abkommensrechtlichen Einkunftskategorie (zB Zinsen, Lizenzen) zugeordnet werden: Da Sondervergütungen und Gewinnanteil nach deutscher Rechtswertung eine Einkünfteeinheit bilden, schloss die ausländische Besteuerung des Gewinnanteils die Anwendung von § 50d Abs 9 EStG aufgrund der qualitativ-konditionalen Verknüpfung ("wenn") in der Altfassung des § 50d Abs 9 S 1 EStG zu den Alt 1. und 2. tatbestandlich aus (s BFH vom 21.01.2016, I R 49/14, BStBl II 2017, 107 Tz 26 ff mwN; BFH vom 20.05.2015, I R 68/14, BStBl II 2016, 90; FG Mchn vom 22.09.2020, 12 K 3257/18, Rev I R 42/20; FG BdW vom 21.05.2019, 6 K 488/17; auf Rev BFH vom 21.12.2022, I R 11/20, BStBl II 2023, 825 wird das Urt des FG BdW aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen).
Rn. 163a
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Mit Wirkung ab VZ 2017 wurde mit dem BEPS-UmsG (BGBl I 2016, 3000) die qualitativ-konditionale Verknüpfung ("wenn") durch eine quantitative ("soweit") ersetzt, so dass nunmehr auch im Ausland nicht besteuerte Einzelelemente von Einkünften zu einem unilateralen Besteuerungsrückfall nach § 50d Abs 9 S 1 EStG führen (Einkünfteatomisierung). Die Anwendung der Regelung erfordert insoweit eine detaillierte Analyse der ausländischen Einkunftsermittlung, um möglicherweise nicht- oder minder besteuerte Einkunftsteile abzugrenzen (kritisch zu den damit verbundenen administrativen Erschwernissen Schnitger, IStR 2016, 637; Bärsch/Böhmer, DB 2017, 567; Loschelder in Schmidt § 50d EStG Rz 57 (40. Aufl)). Zu den Auswirkungen in Zusammenspiel mit der Anrechnung der ausländischen Steuer s Kempf/Loose, ISR 2021, 247 (250f).