Rn. 178

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Mit Wirkung ab VZ 2017 wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (BEPS-UmsG – Base Erosion and Profit Shifting) vom 20.12.2016, BGBl I 2016, 3000 die Regelung des § 50d Abs 9 S 4 EStG eingeführt, die die Anwendung abkommensrechtlicher Rückfallklauseln auch auf Teile von Einkünften bestimmt. Damit überschrieb der Gesetzgeber die ständige Rspr des BFH, der abkommensrechtliche Rückfall- bzw Switch-over-Klauseln nicht einschlägig erachtete, wenn die zugrundeliegenden Einkünfte zumindest teilweise im Ausland besteuert wurden (ständige Rspr BFH vom 21.01.2016, I R 49/14, BStBl II 2017, 107 Tz 26 ff mwN; FG Mchn vom 22.09.2020, 12 K 3257/18, Rev I R 42/20; FG BdW vom 21.05.2019, 6 K 488/17; auf Rev BFH vom 21.12.2022, I R 11/20, BStBl II 2023, 825 wird das Urt des FG BdW aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen; grundlegend BFH vom 27.08.1997, BStBl II 1998, 58).

Diese Maßnahme ist die konsequente Fortführung der bisherigen Linie der FinVerw bzw des Gesetzgebers, die abkommensrechtliche Freistellung nur noch dann anzuwenden, wenn zumindest dem Grunde nach eine korrespondierende Besteuerung im Ausland stattfindet. § 50d Abs 9 S 4 EStG stellt sicher, dass die abkommensrechtlichen Einschränkungen der Freistellungsmethode insoweit übereinstimmend mit den unilateralen Einschränkungen des § 50d Abs 9 S 1 EStG auch auf Einkunftsteile angewendet werden. In den Fällen, in denen nicht bereits das Abkommen selbst eine Anwendung der abkommensrechtlichen Beschränkungen der Freistellungsmethode auch auf Teile von Einkünften vorsieht (zB Art 22 Abs 2 Buchst e (i) DBA Australien; entsprechend Art 22 Abs 1 Buchst e Doppelbuchst bb deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage vom 22.08.2013), stellt die Regelung ein nach BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 zulässiges Treaty override dar (zutreffend hM zB Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 41aa (20. Aufl); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 227d (06/2020); Schnitger IStR 2016, 637; Dietz/Quilitzsch, DStR 2017, 281; Gebhardt, IStR 2016, 1009).

Tatbestandlich setzt § 50d Abs 9 S 4 EStG voraus, dass das zur Anwendung kommende DBA die Freistellung einschränkt aufgrund einer bestimmten Behandlung im Quellenstaat. Eine bestimmte Behandlung idS ist grds die Nicht- oder Niedrigbesteuerung im anderen Vertragsstaat. Diese muss ursächlich für den abkommensrechtlichen Ausschluss der Freistellungsmethode sein. Sachlich ist damit der Anwendungsbereich sehr weit gezogen; betroffen sind jegliche Arten abkommensrechtlicher Rückfall-, Switch-over-Klauseln oder Quellenregeln, die die Freistellung aufgrund einer Nicht- oder Niedrigbesteuerung im Quellenstaat einschränken. Ausgenommen sind solche Regelungen, für die das DBA selbst (und nicht der Quellenstaat) eine bestimmte Behandlung vorschreibt (zB Aktivitätsvorbehalte).

Im Falle einer Beschränkung der Freistellung aufgrund einer abkommensrechtlichen Aktivitätsklausel kommt § 50d Abs 9 S 4 EStG nicht zur Anwendung, da in diesem Fall die Passivität der Einkünfte für den Besteuerungsrückfall ursächlich ist (zutreffend Gebhardt, IStR 2016, 1009; Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 125 (12/2022); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 227b (06/2020); Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 200 (07/2017)).

Das Tatbestandsmerkmal "Teile von Einkünften" ist gesetzlich nicht definiert, anhand welcher Abgrenzungskriterien diese bestimmt werden, bleibt unklar. Die Formulierung impliziert eine Teilbarkeit der in Frage stehenden Einkünfte anhand sachlich-inhaltlicher Kriterien, während die in § 50d Abs 9 S 1 EStG zugrunde gelegte Verknüpfung ("soweit") rein quantitativ und somit weitergehend ausgerichtet ist. Insoweit mag es Zweifel gegeben, ob die Rechtsfolgen beider Formulierungen tatsächlich gleichlaufen (so Gebhardt, IStR 2016, 1009; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 41aa (20. Aufl); Schnitger, Festschrift J. Lüdicke 562). Allerdings wird uE der gesetzgeberische Wille zur lückenlosen Erfassung von im Ausland nicht- oder niedrig besteuerter Einkunftsteile im Falle von § 50d Abs 9 S 4 EStG hinreichend deutlich, so dass dies nicht nur eine Atomisierung innerhalb einer einheitlichen Einkunftsart, sondern auch innerhalb einzelner Einkunftsquellen und Zahlungsströme zulässt (so im Ergebnis auch Cloer/Hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 343 (07/2017); aA Gebhardt IStR 2016, 1009 (1011); Kahle/Beinert/Heinrichs, Ubg 2017, 247 (250)).

Zweifelsohne verursacht das in § 50d Abs 9 S 4 EStG normierte weitere Merkmal der "Teile von Einkünften" eine weitere Verkomplizierung der Rechtsanwendung und führt im Einzelfall zu Ergebnissen, die weder rechtspolitisch noch betriebswirtschaftlich gewollt sein können (s hierzu instruktiv Kempf/Loose, ISR 2021, 247 (251f)).

Rechtsfolge des § 50d Abs 9 S 4 EStG ist die unilaterale Einschränkung der Freistellung bei Teilen von Einkünften, auch wenn...

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