Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 215
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 11a EStG kommt nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen dann zur Anwendung, wenn der Gläubiger der KapErtr oder Vergütungen eine Person ist, dem diese Einkünfte entweder nach deutschem ESt-Recht oder nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaates nicht zugerechnet werden.
Der Begriff des Gläubigers wird im Gesetz nicht näher konkretisiert; zutreffend ist uE eine zivilrechtliche Interpretation, da nur dann das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Zurechnung nach deutschem Recht einen Anwendungsbereich hat (glA im Ergebnis Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 146a (12/2022); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 277 (12/2021); Gebhardt in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 50d EStG Rz 133 (01/2024); kritisch Lamprecht in BeckOK, § 50d EStG Rz 447 (10/2023)). Der zivilrechtlich Anspruchsberechtigte muss in einem der Vertragsstaaten abweichen von dem für die steuerliche Zurechnung ausschlaggebenden Nutzungsberechtigten. Gehen beide Vertragsstaaten einheitlich von der Transparenz des Rechtsträgers aus, ist der Tatbestand nicht erfüllt ("oder" als ausschließliche Verknüpfung, zutreffend hM Loschelder in Schmidt, § 50d EStG Rz 69 (42. Aufl 2023); Lüdicke, IFSt 480 – Deutsche Abkommenspolitik 2012, 57; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 51d (22. Aufl 2023); Viebrock/Loose/Oskamp, Ubg 2013, 485/489; aA Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 279 (12/2021)).
Rn. 216
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Rechtsfolge ist die Zuweisung des abkommensrechtlichen Anspruchs auf Erstattung der Abzugssteuer nur an diejenige Person, der nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaates die abzugssteuerpflichtigen Erträge als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person zugerechnet werden. Maßgeblich für die Erstattungsberechtigung sind damit die steuerlichen Zurechnungsregeln des im Verhältnis zum Quellenstaat Deutschland anderen Vertragsstaats.
Nach der FinVerw soll die gesetzliche Regelung im Grundsatz der sog abkommensorientierten Auslegung der OECD folgen (so der Hinweis auf Ziff 5 zu Art 1 OECD-MA 2014 in BT-Drs 17/13 033, 72 sowie in Tz 2.1.2 des BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258; zur Kritik zB Schmidt, WPg 2002, 1141, 1232; Lang, IStR 2000, 130), nach der sich die Abkommensberechtigung einer PersGes nach deren steuerlicher Qualifikation in ihrem Sitzstaat richtet:
- Wird sie dort als eigenständiges Steuersubjekt behandelt, das der KSt unterliegt, kann sie als abkommensberechtigte Person selbst Quellensteuervergünstigungen nach Maßgabe des DBA zwischen dem Sitzstaat und dem Quellenstaat geltend machen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der Quellenstaat die PersGes nach seinem Steuerrecht als transparent oder intransparent wertet.
- Geht der Sitzstaat der PersGes von einer transparenten Behandlung aus, kann die PersGes selbst (vorbehaltlich eventueller abkommensrechtlicher Sonderregelungen – s hierzu die Übersichten in der Anlage zu BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258) keine Vergünstigungen aus dem DBA zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat in Anspruch nehmen. Da Zurechnungssubjekt in einem solchen Fall der Gesellschafter der PersGes ist, hängt die weitere Anwendung abkommensrechtlicher Regelungen von dessen Ansässigkeit ab.
Bei Ansässigkeit im Sitzstaat der PersGes kommt wiederum das DBA mit dem Sitzstaat zur Anwendung, bei Ansässigkeit in einem Drittstaat ist das DBA zwischen Drittstaat und Quellenstaat zu prüfen.
Behandelt der Drittstaat die PersGes als intransparent, sollen nach der OECD aufgrund der fehlenden Zurechnung der Einkünfte zum Gesellschafter jedoch keine Abkommensvorteile aus dem DBA zwischen Drittstaat und Quellenstaat geltend gemacht werden können (s OECD Partnership Report 1999, Ziff 55 Bsp 3, idS auch die Verwaltungsregelung vor Einführung des § 50d Abs 1 S 11 EStG aF BMF vom 16.04.2010, BStBl I 2010, 354 Tz 2.1.2.; s im Einzelnen Schmidt, IStR 2010, 413/422f). Abweichend zur OECD geht die FinVerw in diesem Fall nach Einführung von § 50d Abs 1 S 11 EStG aF (bzw § 50d Abs 11a EStG) von einer Erstattungsmöglichkeit nach Maßgabe des DBA zwischen Deutschland und dem Drittstaat aus (BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258 Tz 2.1.2 Bsp 2).
Rn. 217
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Strittig ist in diesem Zusammenhang insb die Reichweite der durch § 50d Abs 11a EStG angeordneten Qualifikationsverkettung.
Die FinVerw geht davon aus, dass § 50d Abs 11a EStG zu einer Änderung der abkommensrechtliche Zurechnung der abzugsteuerpflichtigen Einkünfte führt, so dass sich Grund und Höhe des Erstattungsanspruchs nach dem Zurechnungssubjekt des ausländischen Steuerrechts richten.
Demgegenüber nimmt die hM zutreffend (zur Begründung s Rn 223b) lediglich den verfahrensrechtlichen Übergang des Erstattungsanspruch auf eine andere Person an. § 50d Abs 11a EStG hat danach keinen Einfluss auf die abkommensrechtliche Einkunftszuordnung, sondern bestimmt lediglich die Person, die die Erstattung geltend machen kann.
Der Gesetzestext ist nicht eindeutig und lässt beide Interpretationen zu. Zu...