Rn. 223

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

In seiner jetzigen Fassung lässt § 50d Abs 11a EStG sowohl systematische als auch praktische Fragen offen. Der Gesetzgeber hat die Neuregelung des § 50d EStG durch das AbzStEntModG nicht dazu genutzt, die im Schrifttum aufgezeigten Kritikpunkte und Ungereimtheiten zu bereinigen (kritisch statt vieler Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG, Rz 51d (22. Aufl 2023)).

Unklarheiten bestehen weiterhin beispielsweise über das Verhältnis zu den auf Abkommensebene vereinbarten Regelungen zur Behandlung subjektiver Zurechnungskonflikte (zB Art 1 Abs 7 DBA USA; Art 1 Abs 2 DBA Australien; DBA Niederlande Protokoll Ziff I Abs 2 sowie die in der Anlage zu BMF vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258 aufgeführten Sonderregelungen). Richtigerweise ist abkommensrechtlichen Spezialregelungen Vorrang einzuräumen, wie dies auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/13 033, 72 zu § 50d Abs 1 S 11 EStG aF) zum Ausdruck gebracht wurde. Von Bedeutung ist dies insb bei der materiell-rechtlichen Auslegungsvariante, die in die abkommensrechtliche Einkunftszurechnung eingreift (dazu zB Linn in Wassermeyer, DBA USA Art 1 Rz 66 (09/2023); Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735 mwN; Link, SAM 2019, 65; Salzmann, IWB 2012, 359). Bei nur verfahrensrechtlicher Auslegung stellt sich die Frage des Vorrangs abkommensrechtlicher Spezialregelungen nicht; § 50d Abs 11a EStG knüpft dann an einen bestehenden abkommensrechtlichen Erstattungsanspruch an und ist subsumtionstechnisch dem Abkommensrecht nachgelagert (idS FG Köln vom 16.11.2022, EFG 2023, 658 Tz 111, Rev I R 13/23).

 

Rn. 223a

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Praktisch wird von Seiten der FinVerw zu klären sein, welche Nachweise für die Zurechnung der Einkünfte nach ausländischem Steuerrecht zu einer vom Vergütungsgläubiger abweichenden Person notwendig sind bzw wie mit Steuerbescheinigungen umzugehen ist, die auf den nach innerstaatlichem deutschem Recht zu qualifizierenden StPfl ausgestellt werden, während der abkommensrechtliche Erstattungsanspruch uU nach § 50d Abs 11a EStG einer anderen Person zugewiesen wird, zB bei Intransparenz nach deutscher Wertung und Transparenz nach Wertung des Sitzstaates (hierzu auch Hagena/Klein, ISR 2013, 267/269).

Praktische Schwierigkeiten können sich auch im Hinblick auf die korrekte Person des Antragstellers ergeben; in Zweifelsfällen kann bis zur höchstrichterlichen Klärung der materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Auslegung eine doppelte Antragstellung empfehlenswert sein (zum einen durch den nach inländischer Steuerrechtswertung StPfl und zum anderen durch die nach § 50d Abs 11a EStG bestimmte Zurechnungsperson; s im Einzelnen FG Köln vom 16.11.2022, EFG 2023, 658 Tz 112f).

 

Rn. 223b

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Offen und systematisch am schwerwiegendsten ist, ob § 50d Abs 1 S 11 EStG über die rein verfahrensrechtliche Regelung des Erstattungsanspruchs in der Inbound-Situation hinaus weitere Auswirkungen auf die Einkunftszurechnung für Abkommenszwecke hat. In der Rolle als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters einer ausländischen Mitunternehmerschaft (Outbound-Fall) wird für Zwecke der Abkommensanwendung von der Rspr strikt die deutsche Sichtweise angewendet, ohne danach zu differenzieren, ob der Ansässigkeitsstaat der PersGes diese als intransparente und damit abkommensberechtigte Person behandelt (sog anwenderstaatsorientierte Auslegung im Gegensatz zur abkommensorientierten Auslegung, vgl BFH vom 25.05.2011, BStBl II 2014, 760 mwN; Gosch, ISR 2013, 87).

Entsprechendes gilt für den Inbound-Fall; dies hat der BFH in seinem Urt vom 26.06.2013 (BFH BStBl II 2014, 367) zur abkommensrechtlichen Entlastungsberechtigung einer S-Corporation, die in den USA transparent, nach deutscher Rechtswertung jedoch intransparent ist, denn auch bestätigt (hierzu im Einzelnen Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735 mwN; Link, SAM 2019, 65; Jacob/Klein, IStR 2014, 121). Da diese Entscheidung zur Rechtslage vor Einführung des § 50d Abs 1 S 11 EStG aF erging, vertritt die FinVerw jedoch weiterhin die Position, dass § 50d Abs 11a EStG Ausprägung einer abkommensorientierten Betrachtungsweise sei, aufgrund derer sich der Erstattungsanspruch einer ausländischen hybriden Rechtseinheit in Grund und Höhe nach den Verhältnissen des Zurechnungssubjekts richtet (materiell-rechtliche Auswirkung). Diese bedinge zwangsläufig, dass in diesem Zusammenhang der Begriff des Gläubigers und der abkommensrechtlichen Nutzungsberechtigung auf das Zurechnungssubjekt wechselten (zur Argumentation des BZSt s FG Köln vom 16.11.2022, EFG 2023, 658 Tz 69f).

UE sprechen die überzeugenderen Argumente für eine nur verfahrensrechtliche Wirkung des § 50d Abs 11a EStG: Nach ihrem Wortlaut stellt die Norm auf einen bestehenden abkommensrechtlichen Entlastungsanspruch ab, lediglich dessen Geltendmachung wird auf eine andere Person verlagert (sog derivativer Entlastungsanspruch). Im Wortlaut der Regelung findet sich kein Hinweis auf einen darüber hinausgehenden Inhalt im Hinblick auf einen Wechse...

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