Rn. 8
Stand: EL 157 – ET: 04/2022
§ 50i Abs 1 S 4 EStG erweitert den Anwendungsbereich der S 1 und 3 des § 50i Abs 1 EStG auf die Einkünfte eines Einzelunternehmers oder einer vermögensverwaltenden PersGes. Die Norm ist erstmals auf die Veräußerung oder Entnahme von WG oder Anteilen anzuwenden, die nach dem 31.12.2013 stattfinden (§ 52 Abs 48 S 3 EStG).
Auf der Tatbestandsebene erfordert die Vorschrift des § 50i Abs 1 S 4 EStG das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung (s § 15 Rn 300ff (Bitz)), mithin,
- dass ein Besitzunternehmen einem Betriebsunternehmen eine oder mehrere wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlässt (sachliche Verflechtung) und
- die beteiligten (Mit-)Unternehmer in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen können (personelle Verflechtung).
Im Regelfall handelt es sich beim Besitzunternehmen um eine natürliche Person oder eine PersGes, wohingegen das Betriebsunternehmen die Rechtsform einer KapGes innehat.
Die Betriebsaufspaltung bewirkt, dass die Einkünfte des eigentlich vermögensverwaltenden Besitzunternehmens in gewerbliche Einkünfte iSd § 15 EStG umqualifiziert werden, die entsprechenden WG stellen BV dar. Auch Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der Betriebsgesellschaft führen somit bei der Besitzgesellschaft zu gewerblichen Einkünften.
Für vermögensverwaltende Besitzunternehmen bedurfte es in Form von § 50i Abs 1 S 4 EStG einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers über die Besteuerung von Veräußerungs- bzw Entnahmegewinnen sowie von sonstigen laufenden Einkünften. Ursächlich hierfür war, dass eine originäre Anwendung der S 1 und 3 des § 50i Abs 1 EStG ausgeschlossen ist, da regelmäßig keine PersGes iSd § 15 Abs 3 EStG vorliegt. Die Betriebsaufspaltung und die Übertragung oder Überführung von WG auf das Einzelunternehmen bzw die PersGes müssen – dem Wortlaut des S 1 entsprechend – vor dem 29.06.2013 vollzogen worden sein.
Auf der Rechtsfolgenebene ordnet § 50i Abs 1 S 4 EStG im Wege einer Rechtsgrundverweisung (s Rehfeld in H/H/R, § 50i EStG Rz 26, Juni 2021; aA Liekenbrock in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50i EStG Rz 134 und 139 (Stand Oktober 2017), wonach es sich um eine Rechtsfolgenverweisung handeln soll) an, dass die S 1 und 3 sinngemäß gelten. Folglich kommt es im Wege eines Treaty override zu einer deutschen Besteuerung sowohl von Veräußerungs- bzw Entnahmegewinnen als auch der laufenden Einkünfte.