Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1861
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
S 3 nimmt Bezug auf die Regelung des § 6 Abs 6 S 2 EStG. Die Regelung sieht vor, dass sich in den Fällen des § 6 Abs 1 Nr 5 S 1 Buchst a EStG die AK iSd S 2 um den Einlagewert des WG erhöhen. Eingefügt wurde diese Regelung mit dem StEntlG 1999/2000/2002 mit dem Ziel der Verhinderung einer Übermaßbesteuerung (BT-Drs 14/23, 174). Weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich der Anwendungsbereich dieser Regelung eindeutig ableiten.
So werden in der Literatur verschiedene Auffassungen über den Anwendungsbereich und die Rechtsfolgen vertreten (vgl hierzu Dorn, Ubg 2018, 636; Kirchner, StuB 2006, 420; Füger/Rieger, DStR 2003, 628). Einstimmigkeit besteht dahingehend, dass die Regelung missverständlich formuliert ist, weil die Regelung des § 6 Abs 6 S 2 EStG lediglich auf die verdeckte Einlage von WG des BV in eine KapGes Bezug nimmt, aber die Regelung des § 6 Abs 1 Nr 5 S 1 Buchst a EStG auf die Einlage von WG des PV in das BV. Unklar ist daher, auf welchen konkreten Anwendungsfall die Regelung Bezug nimmt.
Aus der Gesetzesbegründung selbst wird teilweise abgeleitet, dass S 3 eine Ausnahme (Beschränkung) zu S 2 zulässt, welche (ausnahmsweise) die Einlage eines WG aus dem BV des einlegenden Gesellschafters in das BV einer KapGes ohne Aufdeckung der stillen Reserven beim Einlegenden ermöglicht. Diese Auslegung von § 6 Abs 6 S 3 EStG wird hier ausdrücklich abgelehnt, weil eine solche Auslegung von § 6 Abs 6 S 3 EStG eindeutig über den Wortlaut der Regelung hinausgeht. Eine Übertragung der WG zu Buchwerten müsste vielmehr (auch) aus den Regelungen der § 6 Abs 1 Nr 4 und 5 EStG hervorgehen.
Rn. 1862
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Zugleich werden in der Literatur auch unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten, was unter den Begriffen "in den Fällen des Abs 1 Nr 5 S 1 Buchst a" und damit unter der Formulierung
Zitat
"innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist"
zu verstehen ist.
Rn. 1863
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Zum Teil wird in der Literatur der Verweis auf § 6 Abs 1 Nr 5 S 1 Buchst a EStG auch dahingehend ausgelegt, dass dieser Verweis auf die in der Regelung genannte Dreijahresfrist der Anschaffung oder Herstellung Bezug nimmt. So wird die Regelung des § 6 Abs 6 S 3 EStG vorherrschend dahingehend ausgelegt, dass sie zur Anwendung kommt, wenn das WG innerhalb der letzten drei Jahre vor der verdeckten Einlage angeschafft oder hergestellt worden ist, und zwar unabhängig davon, ob im BV oder PV (dieser Auffassung zust Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 874 (43. Aufl 2024); Eckstein in H/H/R, § 6 EStG Rz 1735 (08/2021)). Letztgenannter begründet diese Auffassung ua damit, dass diese Auslegung ua auch am ehesten der sog Teilwertvermutung des BFH entspricht, nach der im Regelfall innerhalb der ersten drei Jahre nach Anschaffung oder Herstellung die widerlegbare Vermutung besteht, dass der Teilwert eines WG seinen ursprünglichen AK oder HK, ggf vermindert um AfA nach der linearen Methode, entspricht, sofern keine Fehlmaßnahme vorliegt.
Gleichwohl lässt auch diese Auslegung § 6 Abs 1 Nr 5 S 3 EStG unberücksichtigt, der (unabhängig vom Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung) aufgrund der vorherigen Entnahme aus dem BV eine Bewertung zum Teilwert nach § 6 Abs 1 Nr 5 Buchst a EStG vorschreibt.
Rn. 1864
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Davon abweichend wird in der Literatur auch die Auffassung der sog "indirekten Einlage" vertreten: danach wird aus der angeordneten Rechtsfolge der Erhöhung der AK der Beteiligung aufgrund der verdeckten Einlage des WG um "Einlagewert" die Schlussfolgerung gezogen, dass die Regelung lediglich für die WG zur Anwendung kommt, für welche auch ein "Einlagewert" vorhanden ist. Konkret betrifft dies WG, die vor der verdeckten Einlage zunächst aus dem PV in das nämliche BV des einlegenden Gesellschafters eingelegt wurden.
Nicht geklärt ist, ob diese Rechtsfolge unabhängig von einer weiteren Frist greift, dh unabhängig davon, wann die verdeckte Einlage des aus dem PV ins BV eingelegten WG nun erfolgt. Dies kann im Ergebnis zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen, weil die stillen Reserven allein aufgrund einer vorherigen Übertragung aus dem PV in das BV innerhalb von drei Jahren nach der Herstellung oder Anschaffung des WG zu einer Übertragung von stillen Reserven auf die KapGes in Folge der verdeckten Einlage dieser WG führen kann. Derartige Gestaltungen dienen keinesfalls der Verhinderung der angestrebten Übermaßbesteuerung, weswegen diese Auslegung zT in der Literatur abgelehnt wird (zB Eckstein in H/H/R, § 6 EStG Rz 1735 (08/2021)). Gleichwohl wird auch diese Auffassung in der Literatur vertreten (zB so Füger/Rieger DStR 2003, 628; Korn, KÖSDI 2000, 12 352 mwN).
Rn. 1865
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Auch nach dieser Auslegung, wonach sich der Verweis auf die Fälle der indirekten Einlage aus dem PV in das BV der KapGes bezieht, wird in der Literatur die Dreijahresfrist berücksichtigt. Ein...