Rn. 564
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Gemäß § 9 Abs 2 S 2 EStG können die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. Es handelt sich um ein Wahlrecht (BFH v 26.03.2009, VI R 25/08, BFH/NV 2009, 1619). Öffentliche Verkehrsmittel idS sind Verkehrsträger, die Personen im Linienverkehr befördern und deren Benutzung grundsätzlich jedem offen steht. Ob Fahrten mit dem Taxi wegen deren Beförderungspflicht hierunter fallen, ist umstritten (bejahend: FG D'dorf v 08.04.2014, 13 K 339/12 E; FG Thüringen v 25.09.2018, 3 K 233/18, EFG 2018, 1944; FG Thüringen v 22.10.2019, 3 K 490/19, EFG 2020, 348, Revisionsverfahren anhängig unter VI R 26/20; v Bornhaupt in K/S/M, § 9 EStG Rz F 87; Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 540; Oertel in Kirchhof/Seer, § 9 EStG Rz 74 (21. Aufl); Thürmer in Brandis/Heuermann, § 9 EStG Rz 521; ablehnend: FG Nds v 05.12.2018, 3 K 15/18, EFG 2019, 344; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 293). Der BFH konnte dies bislang offenlassen (BFH v 15.11.2016, VI R 4/15, BStBl II 2017, 228).
Die Vorschrift des § 9 Abs 2 S 2 EStG dürfte vor allem bei Kurzstrecken im öffentlichen Personennahverkehr zur Anwendung kommen, weil für derartige Strecken regelmäßig im Verhältnis zur zurückgelegten Entfernung relativ hohe Fahrpreise zu entrichten sind. Auch dann, wenn der ArbN unmittelbar hinter einer Tarifgrenze lebt, kann der Ansatz der Entfernungspauschale für ihn ungünstiger sein.
Rn. 565
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Die Vorschrift spricht davon, dass die tatsächlichen Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel "den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag" übersteigen. Zu dem als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag gehört aber auch die Kostendeckelung auf 4 500 EUR, weshalb auch insoweit höhere tatsächliche Kosten angesetzt werden können (ebenso Kreft/Bergkemper in H/H/R, § 9 EStG Rz 457 und 540; Krüger in Schmidt, § 9 EStG Rz 293). Die Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel in § 9 Abs 2 S 2 EStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH v 15.11.2016, VI R 4/15, BStBl II 2017, 228).
Rn. 566
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
Ob die Aufwendungen für die Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln tatsächlich den als Entfernungspauschale abzugsfähigen Betrag überschreiten, ist seit dem VZ 2011 bezogen auf den im Kj insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag zu prüfen (zur Gesetzesbegründung s BT-Drucks 17/5125, 36; kritisch Nacke, DB 2011, 132, 139f). Für VZ davor war dies jeweils bezogen auf die einzelne Fahrt und nicht auf den Gesamtaufwand des StPfl im Kj zu ermitteln (BFH v 11.05.2005, VI R 40/04, BStBl II 2005, 712). Allerdings hat der ArbN, der die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit verschiedenen Verkehrsmitteln bewältigt, nach der Gesetzeslage die Möglichkeit, die Wegekosten teilstreckenbezogen unterschiedlich in Ansatz zu bringen ("park and ride", s BFH v 26.03.2009, VI R 25/08, BFH/NV 2009, 1619; BMF v 03.01.2013, BStBl I 2013, 215 Tz 1.6.).
Rn. 567–569
Stand: EL 161 – ET: 11/2022
vorläufig frei