Nach geltendem Recht bestehen umfassende Kontroll- und Dokumentationspflichten wie die zur Einrichtung eines internen Kontrollsystems oder einer Verfahrensdokumentation nach den GoBD, auch wenn sich die gesetzliche Grundlage für die letztgenannten Verpflichtungen zumindest in Zweifel ziehen lässt. Die Frage, ob sich die Vorleistungen eines Steuerpflichtigen, der seine Aufzeichnungs- Dokumentations- und Mitwirkungspflichten erfüllt und sich "compliant" verhalten will, in einer steuerlichen Außenprüfung "auszahlen", beantwortet der Regierungsentwurf (noch) nicht. Der Bundesrat hat in seiner am 7.10.2022 beschlossenen Stellungnahme zum Regierungsentwurf (BR-Drucks. 409/22 (B), S. 5 f.) die Aufnahme einer Regelung zur "Erprobung alternativer Prüfungsmethoden" in einem neuen § 38 des Art. 97 des Einführungsgesetzes zur AO (EGAO) als einen ersten Schritt hin zu einer Systemprüfung mit daraus folgenden Prüfungserleichterungen vorgeschlagen. § 38 Abs. 1 S. 1 des Art. 97 EGAO-E sieht vor, dass, soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die erfassten Steuern und gesonderten Feststellungen besteht, die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag unter dem Vorbehalt des Widerrufs für die nächste Außenprüfung Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen kann, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten. Nach § 38 Abs. 1 S. 2 des Art. 97 EGAO-E hat der Steuerpflichtige Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und sie der Finanzbehörde unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.
Ein Steuerkontrollsystem i.S.v. § 38 Abs. 1 EGAO-E soll gem. § 38 Abs. 2 des Art. 97 EGAO-E alle innerbetrieblichen Maßnahmen erfassen, die gewährleisten, dass die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden und die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden, wobei das Steuerkontrollsystem die steuerlichen Risiken laufend abbilden muss. Gemäß § 38 Abs. 3 des Art. 97 EGAO-E sind Systemprüfungen von Steuerkontrollsystemen und daraufhin nach § 38 Abs. 1 S. 1 des Art. 97 EGAO-E zugesagte Erleichterungen von den Landesfinanzbehörden bis zum 30.4.2027 zu evaluieren.
Erfolgreiche Systemprüfung in der vorangegangenen Betriebsprüfung: § 38 Abs. 1 des Art. 97 EGAO-E knüpft Prüfungserleichterungen in einer aktuellen Betriebsprüfung an eine erfolgreiche Systemprüfung in der vorangegangenen Betriebsprüfung. Die Regelung dürfte damit vor allem für anschlussgeprüfte Betriebe große Bedeutung erlangen. Aber auch kleine und mittlere Betriebe könnten von der Vorschrift profitieren. § 38 Abs. 2 des Art. 97 EGAO-E beschreibt das interne Steuerkontrollsystem als Gesamtheit der innerbetrieblichen Maßnahmen, die eine zutreffende Aufzeichnung und Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen sowie eine rechtzeitige und vollständige Steuerzahlung gewährleisten. Diese offene Formulierung dürfte es ermöglichen, auf den Steuerpflichtigen bzw. dessen Unternehmensgröße zugeschnittene Kontrollsysteme "passgenau" zu berücksichtigen und auch bereits bestehende Systeme in die Systemprüfung zu integrieren.