Leitsatz
1. Bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während des ganzen Kalenderjahrs geht die Grenzgängereigenschaft nach Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich nur dann verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen (Nichtrückkehrtagen) entweder nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder ganztägig außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 03.04.2006, BStBl I 2006, 304 Tz.B.2).
2. Eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone führen zu Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen nicht zugleich innerhalb der Grenzzone gearbeitet hat; bloße Transferreisen innerhalb der Grenzzone sind insoweit unbeachtlich (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 25.11.2002, I B 136/02, BFH/NV 2003, 364, BFH/PR 2003, 158). Dies gilt in gleicher Weise für Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone.
3. Hinreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone zählen nur dann zu den Nichtrückkehrtagen, wenn der Arbeitnehmer nicht vor der Abreise zwischen seinem Wohnsitz und dem Arbeitsort in der Grenzzone gependelt ist.
4. Entfällt eine mehrtägige Dienstreise außerhalb der Grenzzone auf Wochenenden oder Feiertage, so liegen keine Nichtrückkehrtage vor, wenn die Arbeit an diesen Tagen weder vertraglich vereinbart ist noch vom Arbeitnehmer tatsächlich ausgeübt wird (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 03.04.2006, BStBl I 2006, 304 Tz.B.4); die Reisetätigkeit ist insoweit nicht als Arbeitstätigkeit anzusehen.
5. Krankheitstage während einer mehrtägigen Dienstreise führen nicht zu Nichtrückkehrtagen. Ein Nichtrückkehrtag liegt dagegen vor, wenn der Arbeitnehmer während der Dienstreise infolge höherer Gewalt (hier: "Taifunwarnung") daran gehindert ist, seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.
Normenkette
Art. 13 Abs. 1 S. 1, Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren 1997 bis 2000 Arbeitnehmer bei einer deutschen GmbH und wurde u.a. im Außendienst eingesetzt. Sein Wohnsitz befand sich in Frankreich.
Er unternahm in 1997 an 85 Tagen, in 1998 an 86 Tagen, in 1999 an 73 Tagen und in 2000 an 64 Tagen Dienstreisen außerhalb des Grenzgebiets. Die Abwesenheitstage setzten sich wie folgt zusammen:
|
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
Dienstreisetage insgesamt |
85 |
86 |
73 |
64 |
eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone |
4 |
8 |
9 |
5 |
Hin-/Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone |
20 |
32 |
28 |
26 |
(davon am Wochenende/an Krankheitstagen) |
(3) |
(3) |
./. |
(4) |
(Hinreise nach Pendelbewegung zwischen Wohnsitz und Arbeitsort) |
(7) |
(12) |
(6) |
(2) |
Samstage, Sonn- und Feiertage (ohne Hin-/Rückreise) |
17 |
11 |
8 |
5 |
Krankheitstage (ohne Hin-/Rückreise) |
18 |
5 |
9 |
9 |
Nichtarbeit wegen Taifunwarnung |
./. |
4 |
./. |
./. |
Die GmbH leitete daraus ab, dass als relevante Nichtrückkehrtage jeweils 26 (1997 und 1998) und 19 (1999 und 2000) Tage anzusetzen seien. Der Kläger wurde daher als Grenzgänger i.S.d. Art. 13 Abs. 5 DBA-Frankreich angesehen; der Arbeitslohn wurde nicht dem LSt-Abzug unterworfen.
Das FA forderte allerdings vom Kläger LSt nach. Es ging hierbei davon aus, dass er in den Streitjahren an jeweils mehr als 45 Tagen Dienstreisen außerhalb des Grenzgebiets von mehr als zwölf Stunden durchgeführt habe und daher nicht als Grenzgänger anzusehen sei. Dazu zählte das FA die Hin- und Rückreisetage (bei mehrtägigen Dienstreisen), die Nichtarbeitstage wegen der Taifunwarnung sowie auch die Krankheitstage.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG des Saarlands mit Urteil vom 12.08.2008, 2 K 2024/03 (Haufe-Index 2038259, EFG 2008, 1686) statt.
Entscheidung
Der BFH hat dem FG für 1997 und 2000 im Ergebnis beigepflichtet. Für 1998 und 1999 hat er jedoch anders erkannt und die maßgeblichen Nichtrückkehrtage wie folgt berechnet:
|
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
NRT nach FG |
26 |
26 |
19 |
19 |
zzgl. eintägige Dienstreisen außerhalb der Grenzzone |
4 |
8 |
9 |
5 |
zzgl. Hin-/Rückreisetage bei mehrtägigen Dienstreisen außerhalb der Grenzzone |
20 |
32 |
28 |
26 |
abzgl. Hinreisetage mit vorheriger zweifacher Grenzüberschreitung |
7 |
12 |
6 |
2 |
abzgl. Reisen am Wochenende/an Krankheitstagen |
3 |
3 |
./. |
4 |
zzgl. Nichtarbeit wegen Taifunwarnung |
./. |
4 |
./. |
./. |
= anzusetzende NRT |
40 |
55 |
50 |
44 |
Hinweis
1. Es ist im Wesentlichen auf all das zu verweisen, das auf S. 191 in den Praxis-Hinweisen zu dem Urteil vom 11.11.2009, I R 15/09 und dort zu Art. 15a DBA-Schweiz gesagt wurde.
2. Für den hiesigen Urteilsfall gelten allerdings einige Besonderheiten, weil es hier ausnahmsweise nicht um das DBA-Schweiz, sondern um das DBA-Frankreich ging, das in seinem Art. 13 Abs. 5 abweichend von den Abstimmungen mit der Schweiz einen besondere, geografisch bestimmte Grenzzone von 45 km beiderseits der Staatsgrenze kennt. Bei einer Beschäftigung in der Grenzzone während des ganzen Kalenderjahrs geht die Grenzgängereigenschaft nach der dazu ergangenen zwischenbehördlichen Verständigungsvereinbarung nur dann verloren, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 45 Arbeitstagen (Nichtrückkehrtagen) entweder – erstens – nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder – z...