Rz. 104
§ 4 Abs. 4 EStG definiert Betriebsausgaben als "Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind". Sollen die an einem zur Einkünfteerzielung eingesetzten Gegenstand entstehenden Aufwendungen berücksichtigt werden, die auf eine wirtschaftliche Last zurückzuführen sind, die ein Dritter bereits in der Vergangenheit getragen hat, tangiert man den Bereich der AfA-Berechtigung.
Rz. 105
Fraglich ist folglich, ob auch Abschreibungen auf einen Gegenstand, der zwar vom Einkünfteerzieler genutzt wird, aber nicht in dessen (rechtlichem oder wirtschaftlichem) Eigentum steht, dem Nutzer als Aufwand zugerechnet werden können. Auch eine entsprechende Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach Absetzungen für Abnutzung bei "Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, …" vorzunehmen sind, könnte den Gedanken nahelegen, dass nicht in jedem Fall dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümer die AfA-Berechtigung für das Wirtschaftsgut zustehen muss, sondern auch derjenige abschreibungsberechtigt sein könnte, der das Wirtschaftsgut lediglich zur Erzielung von Einkünften einsetzt.
Rz. 106
Literaturmeinung und Rechtsprechung diskutieren das Für und Wider der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen Dritter allgemein und der AfA im Besonderen auf der Grundlage unterschiedlicher Argumentationsbasen.
4.1.1 Argumente von Literatur und Rechtsprechung
Rz. 107
Im Fall einer Anerkennung von Nutzungen als einlagefähige Wirtschaftsgüter stellt sich das Problem des Drittaufwands nicht; eine Einlage würde sogar die Bewertung zum Teilwert zulassen; die Berücksichtigung der AfA könnte durch einen entsprechenden Wertansatz erfolgen. Eine solche Einlagefähigkeit von Nutzungen wird auch im Zusammenhang mit der abstrakten Vorstellung einer Herstellung von Nutzungen konstruiert: "Sieht man in der Begründung eines Nutzungsrechts die Abspaltung eines selbstständigen Eigentumssplitters, der dann in den Betrieb eingebracht wird, könnte das als Herstellung der Nutzungsmöglichkeit bezeichnet werden". Einen ähnlichen, wenn auch nicht ganz so umfassenden Weg geht der Vorschlag einer Aufwandseinlage. Die Argumentation baut darauf auf, dass Nutzungsvorteile mangels Qualifikation als Wirtschaftsgut nicht eingelegt werden können und der BFH daher eine Einlage i. H. d. Werts der Nutzung ablehnt. Dagegen wird festgestellt, dass "bei der betriebsfremden Nutzung von Betriebsvermögen nicht der Wert der Nutzung, sondern der durch sie verursachte Aufwand als entnommen angesehen" wird. Aus dieser Anerkennung einer Aufwandsentnahme bei betriebsfremder Nutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter wird dann die Zulässigkeit (und Notwendigkeit) einer Aufwandseinlage bei betrieblicher Nutzung fremder Wirtschaftsgüter abgeleitet.
Rz. 108
Sehr viel weiter geht eine Rechtfertigung des Drittaufwands auf der Grundlage des Prinzips der sachlichen Veranlassung, das im Wesentlichen auf einer wörtlichen Auslegung der §§ 2, 4 und 11 EStG beruht. Gem. § 2 Abs. 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer persönlich zuzurechnende Einkünfte, "die der Steuerpflichtige … erzielt", wohingegen in Abs. 2 der Vorschrift lediglich der rein objektive, also nicht personenbezogene "Gewinn" und der "Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten" genannt wird. Einen analogen Fall hierzu stellt § 11 EStG mit den Abs. 1 und 2 dar; auch hier ergibt eine wörtliche Auslegung der Vorschrift, dass die Einnahmen zwar personell zugerechnet werden, die Ausgaben jedoch vor einem sachlichen Hintergrund zu sehen seien. Die vorgestellten Argumentationen sind nach Ansicht des BFH jedoch untauglich. Auch in der Literatur wird zu Recht festgestellt, dass lediglich die Aufwendungen des Steuerpflichtigen gemeint sein können, folglich nicht eine wörtliche, sondern teleologische Auslegung der Vorschriften ihren Niederschlag finden müsse. Auch nach Ansicht von Weber-Grellet rechtfertigt die Tatsache, dass in § 4 Abs. 4 EStG lediglich von "Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind", die Rede ist, keine Unbeachtlichkeit des § 2 Abs. 1 EStG. Das EStG sei in erster Linie personenbezogen, für eine interpersonelle Zuordnung von Aufwendungen bestehe kein Anlass; diskussionswürdig sei hingegen die Frage, inwieweit auf dieser Argumentationslinie bei Objekt- und Realsteuern Drittaufwand anerkannt werden könne.
Rz. 109
Die Ablehnung des Prinzips der sachlichen Veranlassung bedeutet jedoch nicht, dass bei einer rein persönlichen Zurechnung von Einkünften Drittaufwand unberücksichtigt bleiben muss. Die Aufwendungen eines Dritten müssen jedoch dem Steuerpflichtigen eindeutig zugerechnet werden können: "Drittaufwand kann daher nur in Form von durch den Dritten geleisteten Eigenaufwand des Steuerpflichtigen anerkannt werden." Dies führt zu einer Abgrenzungsproblematik von Eigenaufwand und Drittaufwand, die besonders bei abschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern schwierig zu lösen ist.
Rz. 110
In seiner Ent...